Der weisse Horizont

Dieses Buch erzählt die Geschichte einer lebensgefährlichen Expedition und ist zugleich der Beweis für die kaum vorstellbare Belastbarkeit menschlicher Physis und menschlicher Psyche. Die drei südtiroler Bergsteiger Robert Peroni, Wolf Tomaseth und Pepi Schott bezwangen in knapp drei Monaten die rund 1400 Kilometer lange Nordtransversale über das grönländische Inlandeis: zu Fuß, ohne Schlittenhunde, ohne technische Hilfsmittel, ohne Nahrungsmitteldepots. Eine Strecke, für die die legendäre Wegener/Koch-Expedition mit Pferden volle zwei Jahre gebraucht hatte. Ein Unternehmen, das Grönlands Polizeiminister verboten hätte, wäre er rechtzeitig davon informiert worden. \"Sie sind ein Verrückter, Sir, jawohl, ein Verrückter\", mit diesen Worten verabschiedete sich der Hubschrauberpilot von Peroni. Und es schien, als sollte er recht behalten. Am ersten Tag - es galt die Gletscher des Smalle-Fjords zu überwinden - schafften die drei Eiswanderer 100 Meter. 100 Meter in zwölf Stunden körperlicher Schwerstarbeit. Sie wurden von Wahnvorstellungen geplagt, verursacht von optischer Orientierungslosigkeit in der endlosen weißen Weite, und gepeinigt von der erdrückenden Stille, aus der schon das Gekreische eines vorüberziehenden Vogelschwarms Erlösung bedeutete. Ein falscher Schritt, ein Moment mangelnder Konzentration hätte den sicheren Tod bedeutet. Aber die drei gerieten auch in Taumel der Euphorie beim Anblick unberührter landschaftlicher Schönheit im ewigen Eis. Sie hatten gewissermaßen ein Naturgesetz herausgefordert - und sie haben es außer Kraft gesetzt, denn eine Leistung von mehr als 500 Kilometern unter diesen Bedingungen galt bislang als unmöglich. Als die drei Männer nach 88 Tagen schier unvorstellbarer Strapazen ihr Ziel, das Eskimodorf Nugssuaq, erreichten, hatten sie diese magische Grenze fast um das Dreifache überschritten.