Nok
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Dieses Buch gibt einen Einblick in den archäologischen Kontext der Nok-Kultur in Nigeria (Westafrika). Das zunächst auf Deutsch erschienene und nun ins Englische übersetzte Werk „Nok – Ein Ursprung afrikanischer Skulptur“ entstand als Buch zur gleichnamigen Sonderausstellung in der Frankfurter Liebieghaus Skulpturensammlung (30. Oktober 2013 bis 23. März 2014). Ein Team aus Archäologen der Goethe-Universität Frankfurt erforscht die Nok-Kultur seit 2005 und stellt die dabei gemachten Entdeckungen nun der Öffentlichkeit vor. Die Nok-Kultur existierte etwa 1500 Jahre lang – von der Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends bis zur Zeitenwende. Ihr Kennzeichen sind kunstvolle Terrakotta-Skulpturen, die auch den Mittelpunkt der Ausstellung bilden. Das Forschungsinteresse der Frankfurter Archäologen gilt jedoch nicht nur den Terrakotten. Sie untersuchen die Nok-Kultur von vielen Seiten und betrachten sie in einem großen Zusammenhang. Letztlich geht es um die Suche nach universellen Entwicklungen in der Vorgeschichte der Menschheit. Eine solche Entwicklung – die für bedeutend gehalten wird, weil sie eine neue Epoche der Vergangenheit einleitete – ist der Wandel von kleinen Gruppen aus Jägern und Sammlern zu großen Gemeinschaften mit komplexen Formen menschlichen Zusammenlebens. Dieser Prozess hat sich in den letzten 10.000 Jahren nahezu überall auf der Erde in allerdings sehr verschiedener Weise abgespielt. Die Nok-Kultur verkörpert eine afrikanische Variante dieser Entwicklung. Sie gehört zu einer Gruppe archäologischer Kulturen, die in den Savannen südlich der Sahara vom zweiten Jahrtausend v. Chr. an in meist kleinen, aber dauerhaften Siedlungen lebten und sich zumindest zum Teil von dem ernährten, was sie selbst auf ihren Feldern anbauten. Der nächste Einschnitt in der Entwicklung der ersten bäuerlichen Kulturen kam mit der Entdeckung von Metall als Werkstoff. In Afrika begann dies nicht mit Kupfer und Bronze, wie in Vorderasien und Europa, sondern mit Eisen. Die Menschen der Nok-Kultur waren die mithin ersten, die südlich der Sahara Eisen produzierten. Dies geschah im ersten vorchristlichen Jahrtausend – ein Jahrtausend nach den bäuerlichen Anfängen. Während die Produktion von Eisen sehr schnell zu einem weit verbreiteten Phänomen wurde, besaß die Nok-Kultur mit den Terrakotta-Skulpturen ein kulturelles Monopol. Nirgendwo in Afrika existierte damals außerhalb Ägyptens und des antiken mediterranen Küstenstreifens etwas Vergleichbares. Die ältesten, sicher datierten Tonfiguren stammen aus dem frühen ersten Jahrtausend v. Chr. Im Moment sieht es daher so aus, als wären sie zeitlich vor dem Eisen entstanden. Ihren Höhepunkt hatten sie in den Jahrhunderten danach. Am Ende des ersten vorchristlichen Jahrtausends verschwanden sie von der Bildfläche. Es besteht kaum Zweifel am rituellen Charakter der Nok-Skulpturen. Dennoch bleibt eine zentrale Frage unbeantwortet: Warum entstand in einer frühen bäuerlichen Kultur, die sich kurz vor oder am Anfang der folgenreichen Erfindung der Eisenproduktion befand, eine offenbar komplexe Welt ritueller Praktiken mit aufwendig hergestellten und – wie die Ausgrabungen zeigen – absichtlich zerstörten Skulpturen? Und warum verschwanden sie genauso abrupt wie sie auftauchten?