Lebenserinnerungen
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Der Autor, Kritiker und Journalist Levin Schücking (1814-1883) wird in den heutigen Literaturgeschichten meist nur noch im Zusammenhang mit Annette von Droste-Hülshoff genannt. Sein umfangreiches eigenes literarisches Schaffen ist dagegen kaum noch bekannt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Schücking einer der meistgelesenen deutschen Prosa-Autoren. Sein breitgefächertes Werk umfasst unter anderem 40 Romane, 90 Erzählungen, mehrere Reisewerke sowie eine kaum überschaubare Zahl publizistischer Arbeiten. Die Zeitgenossen lobten sein spannungsreiches, humorvolles Erzählen, der „Brockhaus“ bezeichnete ihn 1883 als den „Walter Scott Westfalens“. Die Lebenserinnerungen zeigen exemplarisch, wie Levin Schücking zu einem erfolgreichen Massenautor aufstieg. Sie gewähren Einblicke in das literarische Leben zwischen 1840 und 1880, nennen relevante historische und rezeptionsgeschichtliche Stichworte und geben Aufschluss über den Autor selbst, der beispielhaft den Typus eines freien Berufsschriftstellers verkörpert, der auf Gedeih und Verderb auf die Erträge seiner literarischen Arbeit angewiesen war. Diktion und Darstellungsart der Lebenserinnerungen werfen ein bezeichnendes Licht auf einen literarischen Markt, der nicht nach anspruchsvoller, kritischer Literatur verlangte, sondern feuilletonistischer Unterhaltungsliteratur den Vorzug gab. Insgesamt liefert das Werk – trotz mancherlei Vorbehalte und Kritik – interessante Fußnoten nicht nur zur Literatur-, sondern auch zur Kultur- und politischen Geschichte. Darüber hinaus zeigen die Lebenserinnerungen, wie sich literarische Sozialisation im ländlich-rückständigen katholischen Westfalen und im Emsland vollzog, welche Auswirkungen das wechselvolle politische Schicksal der Territorien im frühen 19. Jahrhundert auf den persönlichen Werdegang des jungen Autors nehmen konnte und wie sehr sein beruflicher Aufstieg – über Aushilfsjobs als Bibliothekar und Hofmeister und journalistische Tätigkeit bis zum zuletzt freischaffenden Autor – über persönliche Kontakte verlief und oft auch von Zufällen geprägt war. Von bleibendem Wert sind Schückings Ausführungen über Annette von Droste-Hülshoff, deren Werk er maßgeblich förderte.