Beitrag zur numerischen Simulation des selbsttätigen Losdrehverhaltens von Schraubenverbindungen
Autori
Viac o knihe
Das selbsttätige Losdrehen ist ein kritischer Versagensfall von hauptsächlich querbeanspruchten Schrauben in zyklisch belasteten Verbindungssystemen. Ursache sind Relativbewegungen an den Kontaktstellen der Schraube, in deren Folge es zu überlagerten Rotationsbewegungen der Schraube in Losdrehrichtung kommen kann. Aufgrund des komplexen nichtlinearen Last-Verformungsverhaltens querbeanspruchter Schraubenverbindungen und den meist unbekannten Lastsituationen einzelner Schrauben in Mehrschraubenverbindungen, ist die analytische Ermittlung der lokal auftretenden Relativbewegungen nur mit sehr großem Aufwand möglich. Eine systemübergreifende sowie standardisierte Auslegungsmethodik gegenüber selbsttätigem Losdrehen ist daher bis dato nicht Gegenstand aktueller Regelwerke. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird eine Methodik vorgestellt, mit der das Risiko gegenüber selbsttätigem Losdrehen mittels der Finiten Elemente Methode (FEM) standardisiert überprüft werden kann. Ausgehend von den Grundlagen der Schraubenberechnung wird die Mechanik des selbsttätigen Losdrehens detailliert analysiert und anschließend auf typische Lastfälle einer Schraubenverbindung übertragen. Ein aus diesen Erkenntnissen entwickeltes Ersatzmodell zeigt das nichtlineare Last- Verformungsverhalten einer querbeanspruchten Schraube und führt zu grundlegenden mechanischen Eigenschaften, die vom numerischen Simulationsmodell der Schraube abgebildet werden müssen. Als Ergebnis werden zwei neue Parameter, die losdrehkritische Querverschiebung skrit und die losdrehkritische Querkraft FQkrit, als systemübergreifende Bewertungskriterien des selbsttätigen Losdrehens eingeführt. Um das nichtlineare transversale Last-Verformungsverhalten und das selbsttätige Losdrehen mit vertretbaren Berechnungsressourcen erfassen zu können, wird eine für die spezifischen Anforderungen optimierte numerische Schraubenmodellierung vorgestellt und in ein FE- Simulationsmodell des nach DIN 65151 genormten Vibrationsprüfstandes implementiert. In numerisch und experimentell durchgeführten Parameterstudien werden die Einflüsse konstruktiver Parameter auf die maximale Grenzverschiebung smax, die maximale Querkraft FQmax, die losdrehkritische Querverschiebung skrit und die losdrehkritische Querkraft FQkrit umfassend analysiert. Der direkte Vergleich der Ergebnisse zeigt gute bis sehr gute Übereinstimmungen des verwendeten numerischen Simulationsmodells mit den experimentellen Ergebnissen im Rahmen der untersuchten Parameter. Durch das dargelegte Vorgehen kann gezeigt werden, dass selbsttätige Losdrehereignisse bereits vor einem vollständigen Abgleiten des Schraubenkopfes auftreten, wodurch die bekannte Überprüfung der Grenzverschiebung smax einer querbelasteten Schraube kein hinreichendes Bewertungskriterium darstellt. Die in dieser Arbeit aufgezeigte Methodik, zur numerischen Simulation des selbsttätigen Losdrehverhaltens einer Schraubenverbindung, erweist sich besonders in einem frühzeitigen Stadium der Produktentwicklung als sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Auslegungsprozessen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, das Risiko gegenüber selbsttätigem Losdrehen numerisch zu analysieren, die Anzahl experimenteller Voruntersuchungen an teuren Prototypen zu reduzieren, Entwicklungszeiten zu verkürzen und Schadensfälle im Betrieb zu vermeiden, wodurch sich insgesamt ein großes Potential für Kosteneinsparungen ergibt.