Rote Erde – weißes Gras
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Viac o knihe
Textbeispiel: „Hyänen strichen um die Hütten. Der scharfe Geruch der Ziegen lockte sie an. Er war nicht mit Rauch vermengt, aus der Hütte leuchtete kein Feuerschein. Es war die Hütte der Foibe-Töchter. Unsere Hütte. – Die alte Ziege meckerte leise und rückte von mir ab. Ich streckte mich im Halbschlaf – und ein jäher brennender, stechender Schmerz fuhr durch mein Bein, raste wie ein Blitz durch den ganzen Körper. Gellend schrie ich auf, bäumte meinen Körper hoch, strampelte mit den Beinen, von denen eines wie von einer Zange umklammert war. Dann sah ich die Hyäne. Ihre gebleckten Zähne leuchteten im fahlen Mondlicht. Sie hatte mein Bein gepackt und mich daran bereits ein Stück aus der Hütte gezerrt. Mit ihrem massigen Kopf, aus dem gurgelnd-gurrende Laute und ein stinkender Atem drangen, schüttelte die Bestie meinen ganzen Körper, wollte nicht hergeben, was sie zwischen ihren Reißzähnen festhielt. Meine gellenden Schreie weckten Akeno, die in Todesangst zu brüllen begann. Die Ziegen fanden keinen Fluchtweg, meckerten in zitteriger Angst und drängten sich in der Hütte umeinander und übereinander. Alles wirbelte in Panik hin und her. Ich starrte in die gierigen gelb-grünen Augen, sah helles Blut von den spitzen Zähnen tropfen – es war mein Blut.“ '. das war mein Glück!' So urteilt Luisa Natiwi heute. Missionare fanden sie Wochen später todgeweiht, pflegten sie gesund und schulten sie. Sie wurde die erste Lehrerin der Karamojong im kargen Nordosten Ugandas. Als Idi Amin seine im Putsch gewonnene Macht im Land einforderte, fand er Gefallen an der jungen Lehrerin. Das Eheversprechen eines Bruders sah eine andere Hochzeit vor, bewahrte sie vor dem Diktator. Als Fruchbarkeitsbeweis gebar sie dem Versprochenen einen Sohn. Doch eine Krankheit verhinderte die Hochzeit. War es die gefürchtete Rinder-Tbc, die sie zur Aussätzigen machte? Ein Journalist verhieß Hilfe. Zur Therapie flog Luisa Natiwi nach Deutschland. 'Bleib hier', riet man ihr nach der Genesung. Sie besuchte eine Hotelschule – und sie fand ein Stück Heimat bei einem ugandischen Arzt. Sie heirateten in Deutschland, bekamen zwei Kinder. Dann war ihr Mann eines Tages fort. Zurück nach Uganda, um ein Militär-Krankenhaus zu leiten. Sie reiste ihm nach und erkannte: Sie ist eine Fremde geworden. Eine Unerwünschte im feindseligen Stamm ihres Mannes. Sie flieht schließlich vor dem Bürgerkrieg mit den Kindern zurück nach Deutschland. Luisa Natiwis Lebensbericht ist mehr als ein Frauenschicksal. Es ist der Weg einer Savannen-Nomadin aus der Steinzeit ins Wirtschaftswunder. Sie gibt uns einen authentischen Einblick in die Sozialstruktur der Naturvölker, ist Zeitzeugin der Kolonialzeit, erlebte das Wirken der Missionare und die Brutalität ihrer Landsleute im Kampf um Macht und Reichtum. Sie hilft uns, Afrika zu verstehen. Aufgrund der umfassenden Einblicke in die Sozialstruktur und in die Lebensweise des Nomadenvolks der Karamojong wird das Werk auch als „Sachbuch“ klassifiziert und in Afrika-Fakultäten und anderen Bildungsangeboten zum Thema Afrika herangezogen.