Die offene Zukunft
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Viac o knihe
Hans Graeves Buch vermittelt ein neues, wirklichkeitsnahes Bild von den Zusammenhängen der Geschichte. Es orientiert sich an den großen Abläufen, die sich in den wesentlichen Epochen aller Kulturen vollzogen haben. Der Autor arbeitet dabei die entscheidenden Kriterien heraus, die den Prozeß zu einer kulturellen Blüte auslösten. Dabei werden verschiedenste Beispiele der Geschichte, z. B. aus China, Ägypten, der Antike sowie Europa vom Mittelalter bis in die Neuzeit, herangezogen. Diese Beispiele erlauben dann zu schlußfolgern welche Entwicklungen das Entstehen einer Kulturblüte begleiten, wann eine solche Kultur in eine Krise gerät und wann sie von einer Zivilisationsgesellschaft abgelöst wird. Graeve weist nach, daß diese Prozesse weder allein vom Zufall noch von unabänderlichen Gesetzen gesteuert werden. Insofern unterscheidet er sich in seiner Interpretation geschichtlicher Abläufe fundamental von Arnold J. Toynbee oder Oswald Spengler. Dennoch sind immer wieder analoge Abläufe zu beobachten. Wenn z. B. ein genügend großes gesellschaftliches Substrat, also an Kenntnissen und Fertigkeiten, Infrastruktur und Sachkapital, vorliegt, verbunden mit Mut und Erneuerungsbereitschaft, so können Krisen überwunden werden und eine neue Form, sei es eine Kulturblüte oder eine Zivilisationsgesellschaft, sich einstellen. In dem dritten großen Abschnitt des Buches wird die Bedeutung dieses Werkes für unsere Tage ersichtlich. Graeve führt aus, daß unsere jetzigen Gesellschaften nicht ohne weiteres mit den vorneuzeitlichen Gesellschaften verglichen werden können, auch wenn gewisse Abläufe sich wiederholen. Die Vielschichtigkeit, die Komplexität und die Interdependenz moderner Gesellschaften lassen konkrete Aussagen über den weiteren Verlauf der Dinge noch weniger zu als dies früher der Fall war. Aber auch die Verletzlichkeit der Gesellschaften ist gewachsen. Gleichzeitig hat das höhere gesellschaftliche Substrat auch die Fallhöhe der Gesellschaften vergrößert. Hier sieht der Autor auch Gefahren, die zum Verhängnis werden könnten. Dieses Buch regt zum Nachdenken über unsere Zeit und über die Zukunft an. Der Autor vermeidet Spekulationen, wie auch plakative Schwarzmalerei, aber die Lehren aus der Geschichte weisen doch auf, wo angesetzt werden müßte. Es ist der Verlust an Werten, der überzüchtete Individualismus, Verkümmerung des politischen Begriffsvermögens und des Gemeinsinns, verbreitete Verachtung von Recht und Ordnung, Verfall der staatlichen Autorität, bis hin zu gesellschaftlich bedingter Blockierung und Paralyse der Staatsgewalt, Hang einzelner Gesellschaften zur Selbstaufgabe und ichsüchtige und nihilistisch-fundamentalistische Verweigerung gegenüber dem Gemeinwesen. Der Leser findet sich immer wieder in den vorhergehenden Betrachtungen früherer Epochen und Kulturen zurückversetzt und kann sich so selbst ein fundiertes Urteil bilden. Es stellt nicht nur für den Historiker eine Fundgrube dar, sondern vermittelt für die in Wirtschaft und Politik Verantwortlichen doch wesentliche Zusammenhänge, die zum Entstehen und Verfall von Kulturen und Organisationen, wie einem Staat, führen.