Zur Theorie der Moderne "Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen"
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Viac o knihe
Taugen funktionalistische Modernisierungstheorien zur Erklärung von Gegenwartsgesellschaften, ihren Erscheinungsformen und Problemen? Der Funktionalismus mit seinen modernen, systemtheoretischen Aspekten gehört zu den wohl einflussreichsten und empirisch auch fruchtbarsten soziologischen Theorien. Allen Modernisierungstheoretikern gemeinsam ist – selbst wenn sie dies nicht offen ausführen – die Annahme, dass sich in langer Epochenfolge abgelaufene europäische Entwicklungen in verkürzter Form nun auch dort abspielen müssten, wo modernes technisch-ökonomisches Denken heutzutage in die Tat umgesetzt wird. Diese Auffassung zur Moderne bzw. Modernisierung im soziologischen Funktionalismus wird von Djongkil Kim auf eindrucksvolle Weise in Frage gestellt. Der Autor wendet sich gegen die kritiklose Rezeption und Übernahme solcher Theorie und untersucht, ob und inwieweit die Grundannahmen von Vertretern des soziologischen Funktionalismus für die Erklärung der zeitgenössischen „modernen“ Gesellschaften Gültigkeit haben können, denn eine quantitativ größere, komplexe, moderne Weltgesellschaft kann nach Kims Auffassung nicht allein primär durch Arbeitsteilung und funktionale Differenzierung erklärt werden, sondern durch eine Reihe von Tendenzen gleichrangiger, gegenläufiger Phänomene – durch eine „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ – wie z. B. Differenzierung und Entdifferenzierung, Komplexitätserhöhung und ihre Verminderung etc. Der kritischen Würdigung verschiedener theoretischer Ansätze – unter besonderer Berücksichtigung der funktional-strukturellen Theorie N. Luhmanns – folgt eine vergleichende Gegenüberstellung und kritische Überprüfung konkurrierender Ansätze (Habermas, Berger/Luckmann, Münch, Eisenstadt). Folgerichtig befasst Kim sich anschließend mit der globalen ökologischen Krise als neuer Herausforderung an die moderne Weltgesellschaft und damit, wie sie in gängigen – gegensätzlichen – Modernisierungstheorien (Luhmann/Beck) interpretiert wird. Am Beispiel des „Schwellenlandes“ Japan als nichtwestlicher moderner Gesellschaft prüft der Autor, ob der Wandel zur Moderne immer westlichen Modellen folgt und fragt, ob angesichts globaler ökologischer Weltprobleme („Nord-Süd-Gefälle“) soziologische Modernisierungstheorien den großen Problemen wirklich voll gerecht werden. „Da aber so manche kritischen Positionen selbst ideologisch besetzt waren [.], ist der Frage-Ansatz [.] begrüßenswert und die Weise seiner gedanklichen Bearbeitung. Denn es geht ihm nicht um sozialwissenschaftlich verbrämtes ideologisches Pro und Kontra, sondern darum, die Stichhaltigkeit der Theorien einerseits und ihren Erklärungswert gegenüber zweifelsfrei konstatierbaren sozialen Phänomenen und Prozessen zu prüfen.“ Prof. Dr. Konrad Thomas