Literalisierung, Verschriftlichung und Sprachreform in Grimmelshausens Roman „Simplicissimus Teutsch“
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Viac o knihe
Stell dir vor, es ist Krieg und die Menschen kämpfen nicht nur mit Waffen, sondern auch mit veränderten Kommunikationsformen und den Zwängen, sich ihnen zu unterwerfen. Man streitet um ein neues Sprachbewusstsein, fürchtet sich vor Verschwörungen, kämpft mit allen Mitteln darum, seinen Platz in der neuen Ökonomie einzunehmen, betrügt und prahlt, muss sich seine Identität amtlich bestätigen lassen, vermeidet es, die Badewanne zu benutzen, und begegnet Menschen, von denen keiner genau zu sagen weiß, ob es Männer oder Frauen sind. Und dann stell dir vor, das Buch, in dem von diesen und weiteren Phänomenen berichtet wird, ist gar kein moderner Roman, sondern wurde bereits im 17. Jahrhundert veröffentlicht. Grimmelshausens Roman „Simplicissimus Teutsch“ wurde oft interpretiert und die Forschung hat ein herrliches Kompendium geschaffen, aus dem sich alles entnehmen lässt, was für das Verständnis wichtig ist. Fast alles. Denn gerade jene Motive, die den Roman und das gesamte Werk des Autors wie der berühmte rote Faden durchziehen, wurden selten beachtet: die Literalisierung des Laienlesers, die den Werdegang des Simplicio bestimmt, die Schaffung einer neuen artifiziellen Sprachnorm, die zur „Muttersprache“ erhoben wird, und die Verschriftlichung der Welt, die bereits mit der Erfindung des Buchdrucks begann. Die vorliegende Veröffentlichung geht diesen Motiven nach und leistet daher nicht allein einen Beitrag zum Verständnis von Grimmelshausens Gesamtwerk, sie eröffnet auch die Möglichkeit, die aktuelle „Zeitenwende“ zu verstehen und einzuordnen.