Jede Menge Kino
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Viac o knihe
Als erster Hauptdarsteller bewegte sich 1913 ein 80 Meter langes Luftschiff durch die Ruhrgebietskulisse: die „Charlotte“ in dem Film „S1“. Gedreht wurde auf dem Flugplatz Wanne-Herten. Warum Stummfilmregisseur Urban Gad ausgerechnet im Revier drehte? Er wollte seinen Spionagefilm „Ganz im Geheimen“ produzieren. Die meisten der in unserer Region bis 1945 entstandenen „Kulissenfilme“ kannten denn auch nur vier Themen: Kohle und Stahl, Liebe und Crime; die Protagonisten waren in der Regel Malocher oder Industrielle beziehungsweise deren Nachwuchs, und aus diesem recht einseitigen Spannungsfeld entwickelte sich eine zumeist recht einseitige Handlung mit vielen schlagenden Wettern, Bergwerksunglücken und ab und an Fußball. In den 1950er Jahren wagten sich Regisseure wie Helmut Käutner, Luchino Visconti oder Bernhard Wicki ins Schlotenland. Da ließ sich die unvergessliche Romy Schneider bei einer Premiere in der Essener Lichtburg mit Fußball-idol Helmut Rahn ablichten, und Helmut Berger wurde in Herne in eine Schlägerei verwickelt. Die noblen Filmgäste verließen unsere unglamouröse Region zumeist fluchtartig, nachdem sie ihre Auftritte erledigt hatten. Das Ruhrgebiet lieferte weiterhin Filmkulisse. „Die Frühreifen“ von 1957 bieten zum Beispiel als Hauptfigur die Verkäuferin Inge auf; ihr Vater ist Bergmann, sie hasst das „Rußland“; Inge verabschiedet sich denn auch fix von ihrem Malocherfreund Wolfgang, als der Reiche-Pinkel-Sohn Günter bei ihr anklingelt. Das Drama mit Happy End spielt sich vor gigantischer Ruhrgebietskulisse ab, mit Händchenhalten auf der Halde und so. Veränderungen seit 1913 sind hauptsächlich in der Kleiderordnung zu bemerken. Erst mit und nach Adolf Winkelmanns „Die Abfahrer“ aus dem Jahre 1978 entstand ein „cineastisches Selbstbewusstsein“ des Ruhrgebiets. Das Revier zeigt von nun an „Filmflagge“, mit eigenen Regisseuren und Produzenten, mit Schauspielerinnen und Schauspielern, die keinen Sprachcoach benötigten, um den hier gängigen Dialekt überzeugend rüberzubringen. Es entstanden „Ruhrgebietsfilme“. Und die erfreuen sich mit kernigen Typen, wie wir es nun mal sind, und der authentischen Schlotenlandkulisse bis heute beim Publikum größter Beliebtheit. Und so wird bei uns auch in Zukunft „Jede Menge Kino“ angesagt sein.