Erinnern statt verdrängen
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Viac o knihe
Das vielzitiert kurze, dabei an Extremen reiche 20. Jahrhundert ist folgerichtig ebenso ein Säkulum der bruchreichen Biographien. Zu jenen zählt auch Horst Hennigs Lebenslauf, dessen Stationen eine ganz einzigartige Perspektive auf die zurückliegende Geschichte gestatten. Geboren 1926 im Mansfelder Land, besucht Horst Hennig eine Vorschule der Wehrmacht. Hier erfährt er eine Erziehung durch vor allem kritisch denkende Pädagogen, deren Prägungen aus der Weimarer Republik stammten. Kaum erwachsen, wird er an die Front geschickt und gerät schon bald in amerikanische Gefangenschaft. Nach der Entlassung folgt eine kurze Zeit als Student der Medizin in Halle, wo sich Horst Hennig und einige seiner Kommilitonen dem zunehmenden politischen Druck einer sich etablierenden neuen Diktatur widersetzen. Der Verhaftung durch den sowjetischen Geheimdienst im Frühjahr 1950 folgt ein Prozess, in dessen Ergebnis er zu 25 Jahren Zwangsarbeit im GULag verurteilt wird, die in Workuta zu verbüßen sind. Die schwierigen Gespräche Bundeskanzler Konrad Adenauers in der Sowjetunion 1955 ebnen letztendlich auch Horst Hennig den Weg zu einer lange nicht mehr für möglich gehaltenen Rückkehr nach Deutschland. In Köln setzt er das Medizinstudium fort, tritt in den Sanitätsdienst der Bundeswehr ein und wird nach zwei Jahrzehnten 1983 schließlich als Generalarzt in den Ruhestand verabschiedet. Die Stadt am Rhein ist seither sein Wohnsitz. Die heftigen Wendungen dieser Biographie haben dennoch einen archimedischen Punkt: In Workuta ist Horst Hennig am 1. August 1953 Akteur in einem blutig zusammengeschossenen Streik der Häftlinge, der Dutzende von ihnen das Leben kostet. Im „Niemals wirst Du zulassen, dass das vergessen wird“ liegt jene Passion, die ihn von nun an bis in unsere Gegenwart begleitet.