Hitlers Nibelungen
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Führende Männer im Nibelungenlied forderten bedingungslose Treue zum Kriegskameraden auch dann, wenn dieser sich ins Unrecht setzte. Nachdem der Text den Status eines Nationalepos erlangt hatte, waren viele Passauer nicht nur stolz, dass Vorfahren bereits vor 700 Jahren zur deutschen Nationalidee und dem Bedürfnis nach historischer Verwurzelung beigetragen haben, sondern sie sahen Hitler als ihren neuen Siegfried und sich selber in der Rolle seiner Nibelungen. Um die Jahrhundertwende waren die Familien Hitler und Himmler nach Passau gezogen. Nachdem Einheimische 1920 mit Patronen der Reichswehr gegen Kurt Eisner ins Stadttheater zogen, holte Johann Georg Hoffmann Hitler zu seiner ersten öffentlichen Rede. Das vorliegende Buch beschreibt die regionale, grenzübergreifende Euphorie, auf Gebieten des Nibelungenliedes ein neues Reich zu errichten, in dem eine kämpferische Jugend heranwuchs. Passauer instrumentalisierten Ferdinand Wagners Gemälde im Rathaus und Dietrich Eckharts Gefangenschaft auf Oberhaus. St. Georg wurde zum neuen Wotan und der Kampfbund für deutsche Kultur rückte mit Walküren der Negermusik zuleibe. Passau machte sein Ostmarkmuseum zum Wächter für deutsche Sitte und Art, es errichtete ein Haus des Dankes für Alte Kämpfer und aus dem Offiziersgarten am Thingplatz wurde ein „Aussichts-Cafe“. Otto Erbersdobler, Wahlschleppdienste und die Altparteigenossin Margarete Schneider-Reichel erkämpften der Wie der neuen Ostmark eine Führungsrolle. Albert Leo Schlageter wurde zum Helden stilisiert und Feauenberg bekam ein Ritter-von-Leeb Haus. Gauleiter Andreas Bolek zog Passau, wo eine Einheit der Österreichischen Legion die jüdische SA-Kaserne belegte, Ernst Kaltenbrunner und Sonderkommissar Sepp Dirscherl an der Grenze operierten, wo Baldur von Schirach zu Gast war und die Donauflotille patroullierte. Schleifen und Hakenkreuze zierten Passaus Hitler-Eiche, das NSDAP-Reichssymphonie-Orchester rührte die Werbetrommel und die Zeitung protzte mit Hakenkreuzen in der Basilika. Hermann Göring stellte sich Ritter von Stucks Kämpfende Amazone vor Carinhall. Adolf Eichmann und Hans Baumann heirateten in Passau. Leser folgen einheimischen Soldaten und Zivilisten nicht nur zum Juliputsch nach Kollerschlag, ins Generalgouvernement Polen und zum Westfeldzug über Frankreich, Belgien nach Holland, sondern auch nach Skandinavien, zur Absiedlung von Slowenen und zu Erschießungen in Charkiw und Podworki. Nachdem Passau auch noch zum Umschlagplatz für Volksdeutsche auf ihrem Weg Heim ins Reich geworden war, sangen Jugendliche 1943 im Stadttheater: „Du sollst bleiben, Land, wir vergehn“.