Eurofaschismus und bürgerliche Dekadenz
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Pierre Drieu la Rochelle (1893–1945) schied im März 1945 durch Freitod aus dem Leben. Fluchtofferten ins befreundete Ausland lehnte der französische Intellektuelle, der im Zweiten Weltkrieg mit der deutschen Besatzungsmacht kollaboriert hatte, kategorisch ab. „Man muß Verantwortung auf sich nehmen“, schrieb er kurz vor dem Suizid in seinem Geheimen Bericht. Drieu la Rochelle war nicht nur ein gefeierter Romancier von Weltrang, er galt auch seinen Zeitgenossen als Ausnahmeintellektueller. In seinen Romanen, besonders in Die Unzulänglichen, kritisierte Drieu die Dekadenz des von ihm so verachteten Bürgertums. Parallel zum Reifungsprozeß seiner Romanprotagonisten entwickelte sich auch Drieu zum Mann der „Tat“, der „direkten Aktion“… zum Faschisten. Die Kollaboration Drieus mit der deutschen Besatzungsmacht in Frankreich war keine Kapitulation vor dem Feinde, sondern vielmehr der Versuch, eine ideologische Front zu schmieden. Der wahre Feind sei nicht der boche, der „Deutsche“, sondern der bourgeois, der „Bürger“. Gegen die Dekadenz könne, so glaubte Drieu, nur gemeinsam vorgegangen werden: einzig ein im Faschismus geeintes Europa habe die Kraft, sich innerer Dekadenz und äußerer Feinde zu erwehren und genuin europäisch zu bleiben. Die vorliegende Studie erkennt in Drieu la Rochelle einen modernen Europäer, der den Nationalismus hinter sich gelassen hatte. Der Historiker Benedikt Kaiser bettet den französischen Intellektuellen und sein Werk in den historischen Kontext der diversen europäischen Faschismen ein. Im Anhang findet sich ein Auszug aus Drieu la Rochelles Geheimem Bericht, der sein politisches Testament darstellt und das Handeln des Denkers nicht entschuldigen will, sondern es in einem letzten Akt bekräftigt.