Poetik der Fremdheit
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Viac o knihe
„Exil ist das Nichtzugehörigsein par excellence. Der Exilant lebt einzig in seinem ersten Gedächtnis. Dieses Gedächtnis wird ihm Heimat und Identität.“ Mahmud Darwisch Zahlreiche arabische Literaturwissenschaftler, Kritiker und Autoren weisen immer wieder auf die zentrale Bedeutung des Exils (manfan, nafi) für die arabische Gegenwartslyrik hin. Dennoch liegen bis heute kaum literaturwissenschaftliche Studien vor, welche arabische Dichtung unter dem Vorzeichen des Exils analysieren. Die systematische Untersuchung mit zeitgenössischer arabischer Exillyrik befindet sich trotz der häufigen Wiederkehr von Exilmotiven, biografischer Exilerfahrungen zahlreicher bedeutsamer Autoren und der auffälligen Dominanz des Themas „Exil“ in arabischen Intellektuellendiskursen in einem Anfangsstadium. Da das Exil sowohl im palästinensischen (beginnend mit dem ersten arabisch-israelischen Krieg 1948) als auch im irakischen Kontext (besonders unter der Herrschaft Saddam Husseins 1979 bis 2003) besonders präsent und folgenreich ist, stehen im Mittelpunkt dieser ersten umfassenden Studie zur arabischen Exildichtung zwei palästinensische und zwei irakische Lyriker, die in ihren Gedichten höchst unterschiedliche und eigenwillige Konzepte, Bilder und Vorstellungen von Exil entwerfen: Sa’di Yusuf (Jg. 1934) und Kamal Sabti (1955 bis 2006) aus dem Irak und Zakariya Muhammad (Jg. 1951) und Ghassan Zaqtan (Jg. 1954) aus Palästina. Allen Autoren ist gemeinsam, dass sie eine individuelle Vorstellungswelt von Exil entwickeln, mit der sie ihre biographisch und immer auch politisch erfahrene Verbannung in Sprache ‚übersetzen‘, ältere Exiltexte dabei radikal umschreiben und eine neue arabische Poetologie begründen. Eine Leitfrage der Studie, die vor allem die Gedichte aus den frühen 1990er Jahren bis 2004 in Betracht zieht, lautet: Wie wirken sich die individuelle und kollektive Erfahrung des Exils und des Aufenthalts in der Fremde thematisch, formal, poetologisch und sprachlich auf die lyrischen Texte aus? Damit zusammenhängend wird weiter untersucht, wie die biographischen, oft traumatischen Erfahrungen des Exils und der Rückkehr literarisch verarbeitet und repräsentiert werden. Welche ästhetischen und thematischen Strategien entwickeln die Autoren, um ihre Exilsituation literarisch zu bewältigen? Um das Werk und die Selbstverortung jedes einzelnen Lyrikers präziser einordnen und verstehen zu können, führt die Untersuchung die Kategorie des Post-Exils (ma ba‘da l-manfa) ein. Anhand einer an Paul Ricoeur, Jacques Derrida und Homi Bhabha angelehnten Phänomenologie des (Post-)Exils werden die Gedichte in einen Dialog mit theoretischen Texten gebracht, der es erlaubt, die bisweilen hermetische und opake Lyrik umfassend zu beleuchten und zum Verstehen zu bringen. Die Dissertation umfasst zahlreiche literarische Übertragungen bedeutender Gedichte in deutscher Erstübersetzung. Sie beleuchtet nicht nur wesentliche Aspekte moderner arabischer Dichtung, die schwierigen sozio-politischen Verhältnissen in arabischen Ländern und die Lebensbedingungen arabischer Exilanten im Westen, sondern ist durch ihren Materialreichtum, ihre sprach- und formbewusste Analyse sowie ihren literatur-theoretischen Ansatz bedeutsam für die Erforschung von Exilliteratur insgesamt.