Untersuchungen zum Erwerb der Textproduktionskompetenz bei hörgeschädigten Schülern
Autori
Viac o knihe
In Deutschland fehlt bisher eine ausgearbeitete didaktische Unterrichtsmethode für den schriftsprachlichen Unterricht mit hörgeschädigten Schülern. Dabei ist es gerade die Schriftsprache, die Menschen mit einem Hörverlust Zugang zu Informationen eröffnen und sie selbständiger machen kann. Noch immer besteht auf Seiten der Pädagogen Unsicherheit in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Laut- und Schriftsprache: Ist die Beherrschung der Lautsprache nötig, um Schriftsprache zu erwerben? Welche methodischen Möglichkeiten gibt es, diese auch unabhängig von jener zu vermitteln? Diese Unsicherheit wird ergänzt durch eine weitgehende Unkenntnis in Bezug auf die schriftsprachlichen Fähigkeiten und Erwerbsmethoden hörgeschädigter Schüler. Die Autorin ermöglicht in diesem Band Einblicke in verschiedene Kompetenzbereiche wie Wortschreibung und Morphosyntax, geht aber auch auf die inhaltlichen Aspekte von Schülertexten ein. Die zugrunde liegende Studie ist mit der Analyse von über 500 Einzeltexten von hörgeschädigten und hörenden Schülern die derzeit umfassendste in diesem Bereich. Die dafür herangezogenen Texte wurden schwerpunktmäßig in den Jahren 2000 bis 2002 im deutschsprachigen Raum von Klassen verschiedener Schulen und unterschiedlichen Alters zu einer Bildergeschichte und zwei Kurzfilmen nach offenen Aufgabenstellungen erstellt. In einer Querschnittuntersuchung werden die Kompetenzen nicht-auditiv erreichbarer Schüler mit solchen, deren Hörverlust ein auditives Vorgehen noch erlaubt, einander gegenübergestellt. Gerade im Bereich der gehörlosen Schüler sind die Ergebnisse erschreckend – zeigen sich doch keine wesentlichen Verbesserungen zu den schon vor 30 Jahren bei dieser Gruppe festgestellten sehr geringen schriftsprachlichen Kompetenzen. Die Ergebnisse der schwerhörigen Schülergruppen weisen zudem darauf hin, dass der Schriftsprachunterricht in vielen Schulen noch zu stark vom Lautsprachunterricht abhängig und diesem untergeordnet scheint. Ist das schlechte Abschneiden der gehörlosen Schüler also zwangsläufig eine Konsequenz aus ihrem Hörverlust? Demgegenüber zeigen die in einer Längsschnittstudie analysierten Texte der von 1993 bis 1999 im Hamburger Bilingualen Schulversuch unterrichteten gehörlosen Schüler eine deutlich positivere Kompetenzentwicklung: Zwar gibt es Gemeinsamkeiten im Erwerbsprozess – dabei handelt es sich vorrangig um Fehler, die denen von Fremdsprachlernern ähneln –, die Unterschiede zeigen dagegen Regelwissen sowie Einsichten in den Aufbau der deutschen Schriftsprache auf Seiten der bilingualen Schüler, die denen der übrigen Gehörlosen fehlen. Der Schriftsprachunterricht der bilingualen Gruppe verlief in Anlehnung an Prinzipien des Spracherfahrungsansatzes, einem Ansatz, der sich in der allgemeinen Didaktik in den letzten 20 Jahren mit Erfolg durchgesetzt hat. Die Autorin möchte mit diesem Band dazu anregen, den Spracherfahrungsansatz auch in Hörgeschädigtenschulen zu erproben.