Der Segelsport in der Arbeitersportbewegung
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Viac o knihe
Es mag heute überraschen, dass der gemeinhin eher als elitär angesehene Segelsport bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Einzug in die Freizeitgewohnheiten von Arbeitern/-innen genommen hat. Und in der Tat, eine Massensporterscheinung ist das Segeln von Arbeitern/-innen weder in der Kaiserzeit noch in der Weimarer Republik geworden. Im Gegensatz zu den in den 20er Jahren im Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) zahlenmäßig weitaus stärker organisierten Kanu- und Faltbootsport blieb die Arbeiterseglerbewegung selbst in der Dachorganisation der deutschen Arbeitersportbewegung, der Zentralkommission für Arbeitersport und Körperpflege nicht mehr als eine innerverbandliche Randerscheinung. Wahrscheinlich liegt auch darin der Umstand begründet, dass sich bis heute die sportgeschichtliche Forschung mit diesem eigenständigen Arbeitersportverband kaum auseinandergesetzt hat. Interessanterweise konnte der Freie Segler-Verband (FSV)2, der organisatorische Zusammenschluss der Arbeitersegler mit Sitz in Berlin-Grünau, bereits im Jahre 1931 sein 30-jähriges Bestehen feiern. Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Verband über 42 Mitgliedsvereine mit 2.683 Mitgliedern und 1.465 Booten. Der FSV stellte damit knapp 0,2% der Zentralkommissions-Mitglieder. Die Geschichte des FSV blieb über viele Jahrzehnte in der Seglerszene nahezu unberücksichtigt. Selbst in der Jubiläumsschrift des Deutschen Segler-Verbandes (DSV), die im Jahr 1988 unter dem Titel „Hundert Jahre Deutscher Segelsport“ erschienen ist, erhält das Arbeitersegeln nur den Status einer Fußnote in der Segelsportgeschichte. Die wenigen Ausführungen zum FSV sind zudem fehlerhaft recherchiert und in ihren Wertungen problematisch. In der sporthistorischen Literatur finden sich nur vereinzelte Hinweise auf den FSV. Langenfeld kommt in seiner Untersuchung zur Geschichte des Wassersport in Niedersachsen in der Weimarer Zeit zu der irrigen Einschätzung, der FSV sei ein kommunistisch orientierter Segelverband gewesen. Kaczmarczyk hat 1986 als erster den Versuch unternommen, auf breiterer Quellenbasis die Geschichte des Arbeitersegelns zu analysieren. Auch wenn seine Arbeit zum Teil noch von dem marxistischen Erkenntnisinteresse der ehemaligen DDR-Forschung geprägt ist, so öffnete er doch den Blick auf dieses sportgeschichtliche Desiderat. Die vorliegende Arbeit gliedert sich im Wesentlichen in drei Hauptteile. Nach einer knappen Übersichtsdarstellung über die Organisationsgeschichte des deutschen Segelsports (Kap. 1) schließt sich das erste Hauptkapitel (Kap. 2–10) mit Detailbetrachtungen zu verschiedenen Aspekten der Arbeitersegelbewegung in der Weimarer Zeit an. Das zweite Hauptkapitel untersucht die Segelsportstrukturen in der NS-Zeit, hier vor allem den Gleichschaltungsprozess der FSV-Vereine (Kap. 10–13). An den knappen Abriss über die Entwicklung des Segelsports bis 1950 fügt sich der dritte Hauptteil der Arbeit an: der statistische Teil über die im FSV organisierten Vereine. Dieser Statistikteil reflektiert den Erkenntnisstand vom Juli 2002.