Der Januskopf des Utopischen
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Der ostdeutsche und Berliner Germanist und Literaturhistoriker Hans Kaufmann (1926-2000) gehörte gleichermaßen zu den führenden wie umstrittenen Geisteswissenschaftlern in der DDR, einem System, in dem der Literatur der Gegenwart wie der Vergangenheit zunehmend auch eine Ersatzfunktion erwuchs: Probleme aufzuwerfen, die sonst öffentlich nicht aussprechbar waren. Seit den fünfziger Jahren hat er die Entwicklung der marxistischen deutschen Literaturwissenschaft wesentlich mitgeprägt. Mit seinen frühen Arbeiten zu Heinrich Heine und Bertolt Brecht, dem mehrfach aufgelegten Band „Krisen und Wandlungen der deutschen Literatur von Wedekind bis Feuchtwanger“ (1966), seiner federführenden Mitwirkung an dem Mammutunternehmen „Geschichte der deutschen Literatur“ in den siebziger Jahren und seinen streitbaren Äußerungen zur Gegenwartsliteratur in der DDR hat sich Kaufmann auch international einen Namen gemacht. Gleichzeitig erfuhr er unter anderem mit dem Vorwurf einer „elitären Kunstkonzeption“, der „ideologischen Verführung“ des wissenschaftlichen Nachwuchses Eingriffe und Zurechtweisungen politischer und kulturpolitischer Instanzen. Nach der Wende traf auch ihn die Pauschalkritik der DDR-Systemnähe. Die in dem Band zusammengestellten, weitgehend unveröffentlichten oder an entlegener Stelle publizierten Texte, Gespräche und Erinnerungsskizzen sind authentische Dokumente: ehrlich, selbstbewußt und selbstkritisch. Sie zeigen den herausragenden Wissenschaftler und den Menschen, der sich nicht hinter seinem Text zu verbergen sucht. Wie in allen Arbeiten Hans Kaufmanns wird der Leser auch hier nicht akademisch belehrt, sondern auf lebhafte und anschauliche Weise hineingezogen in die Lebens- und Lesewelt eines Zeitgenossen der älteren Generation.