Die Mafa im Spiegel ihrer oralen Literatur
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Viac o knihe
Die Mafa sind mit etwa 200.000 Personen die größte und politisch dominante der 14 ethnischen Gruppen im nördlichen Mandara-Gebirge in Nord-Kamerun. Diese subsistenzwirtschaftlich organisierte Ethnie wird in der Literatur bisweilen noch „Matakam“ genannt, eine Bezeichnung, die „die leicht zu Fangenden“ bedeutet und aus der Zeit der Sklaverei stammt. Bei den Mafa besteht ein patrilineares Verwandtschaftssystem, die Abstammung wird über den Vater definiert. Die Frauen ziehen nach der Hochzeit in das Gehöft des Mannes. Die patrilokale Wohnfolgeregelung bedeutet für die Frauen im heiratsfähigen Alter, dass sie die Verwandtschaftsgruppe, der sie angehören, verlassen und sich in eine andere, die ihres Mannes, einleben müssen. Dort werden sie lebenslänglich als Fremde betrachtet. Die Autorin hat zwischen 1981 und 1997 insgesamt 28 Monate bei den Mafa gelebt und in dieser Zeit 157 Geschichten (Märchen, Fabeln und ätiologische Erzählungen) gesammelt. Ein Großteil der zumeist von Frauen erzählten Geschichten werden in der vorliegenden Studie vorgestellt. Die Mafa halten ihre Geschichten für Geschehnisse, die sich so oder so ähnlich in der Vergangenheit ereignet haben. Sie behandeln alle Bereiche des Lebens: Geburt, Kindheit, Ehe, Mutterschaft, Arbeit, Glaubensvorstellungen, Sterben, Jenseits. Auch die „Zaubermärchen“ werden für wahr gehalten. Das Magische, das für das westliche rationale Denken als das Unwahrscheinliche gilt, wirkt bei den Mafa real. Die Geschichten handeln von Konfliktsituationen, in denen die Helden oder Antihelden von den jeweils geltenden gesellschaftlichen Normen abweichen und enthüllen ein reiches Spektrum an Typen menschlichen Verhaltens. Die Kultur stellt den konkreten Rahmen, die Möglichkeiten und die Grenzen, innerhalb derer sich ein einzelner Mensch entfalten oder einschränken kann. Keine „unschuldigen Äthiopen“, keine naiven Wilden, keine exotischen Naturmenschen, sondern Menschen werden dargestellt: schuldig und unschuldig, naiv und differenziert, wild und sanft, natürlich und entstellt, wie es sie überall gibt. Die thematisierten Lösungsmöglichkeiten geben nicht nur Aufschluss über die herrschende Moral, sondern auch über die Toleranz gegenüber abweichendem Verhalten. Trickster-Geschichten – sie machen etwa ein Drittel der Oralliteratur der Mafa aus – können als Lehrstücke verstanden werden. Die Autorin entwickelte aus den Geschichten einen Leitfaden für Tiefeninterviews. Die ErzählerInnen wurden somit gleichzeitig zu InformantInnen. Die Themen der Tiefeninterviews ergaben sich aus den Märchen: Heirat, Bestattung, Sklaverei, religiöse Vorstellungen spielen sämtlich in den Geschichten eine Rolle. Eine Erkundigung, die die Autorin immer wieder einzog, war die nach dem Bezug einer Geschichte zu den heute lebenden Menschen. Die Deutungen der Erzähler und Erzählerinnen sowie die von ihnen damit assoziierten Beispiele aus dem Alltagsleben sind eine weitere von ihr erschlossene Quelle. Sie zeigen das für die Kultur der Mafa Spezifische dieser Geschichten, auch wo die einzelnen Motive als allgemein afrikanisch oder gar als universell erkennbar sind.