Henry Spira und die Tierrechtsbewegung
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Peter Singer erzählt die inspirierende Geschichte Henry Spiras, dessen umsichtiges und zugleich konsequentes Handeln die amerikanische Tierrechtsbewegung im 20. Jahrhundert prägte. Mit Spiras Lebensgeschichte hat Peter Singer jedoch weit mehr als eine Biographie geschrieben; er dokumentiert mit ihr zugleich 30 Jahre Tierrechtsbewegung, ihre Strategien, Erfolge und Probleme: ein Lehr- und Lernstück für alle, die sich für Menschen- und Tierrechte engagieren. „Stellen Sie sich vor, jemand spannt Ihren Kopf in ein Gestell ein. Sie starren hilflos vor sich hin, können sich nicht wehren; ihr Kopf wird nach hinten gezogen. Ihr unteres Augenlid wird weggezogen. Dann werden Chemikalien in Ihr Auge geträufelt. Sie fühlen Schmerzen. Sie schreien und winden sich verzweifelt. Es gibt kein Entkommen. Das ist der Draize-Test., der Test, den Revlon und andere Kosmetikfirmen an Tausenden von Kaninchen durchführen, um ihre Produkte zu prüfen.“ Dieser Text stand im April 1980 in einer ganzseitigen Anzeige der New York Times. Darüber war das Bild eines weißen Kaninchens mit verbundenen Augen und zwei Laborgefäßen. Über dem Bild stand groß eine einzige Frage: „Wieviele Kaninchen blendet Revlon um der Schönheit willen?“ Mit dieser Anzeige begann die Offensivphase einer Kampagne Henry Spiras gegen Revlon und andere Kosmetikgiganten, deren Ziel die Abschaffung des Draize-Tests war. Schon Ende desselben Jahres war das erste Etappenziel erreicht: Revlon und andere Kosmetikfirmen stellten immense Summen zur Erforschung von Alternativmethoden zum Draize-Test zur Verfügung. Doch bis zum endgültigen Sieg, der Abschaffung des Draize-Tests in der Kosmetikindustrie, dauerte es fast zehn Jahre. in diesen Jahren startete Spira neue Kampagnen: gegen den LD50 Test, gegen unhaltbare Tierhaltungs- und Schlachtmethoden in der Geflügel-, Eier- und Fleischindustrie, und behielt doch die früher begonnenen Kampagnen im Blick und unter Kontrolle. Als Avon, Revlon und andere Kosmetikfirmen 1989 bekanntgaben, den Draize-Test aufzugeben und durch ein Verfahren mit Zellkulturen zu ersetzen, feierte eine junge und engagierte Tierrechtsszene diesen Erfolg als eigenen Sieg. Kaum eine/r dieser Aktivisten war sich im klaren darüber, da ohne Spiras anhaltende Bemühungen ein Alternativ-Verfahren zum Draize-Test überhaupt nicht existieren würde. Henry Spiras Engagement hatte nicht immer den Tieren gegolten. Als Jugendlicher hatte er sich in New York einer radikalen jüdisch-sozialistischen Gruppierung angeschlossen, verfolgte als Gewerkschaftsaktivist und Journalist in den 50er und 60er Jahren die Revolution in Kuba, den Kampf der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und kämpfte gegen die Korruption in der National Maritime Union. Erst 1974, nach der Begegnung mit Peter Singer und dem Besuch eines Tierethik-Seminars bei ihm, begann er seinen Kampf um ein besseres Los der Tiere. Nicht, daß ihn die Ungerechtigkeiten gegen Menschen nicht mehr interessiert hätten, doch er sah einen großen Unterschied: Menschen können aufstehen und für ihre Rechte kämpfen, Tiere aber nicht. Sie brauchen jemanden, der für sie spricht und für sie kämpft. Bis zu seinem Tod im September 1998 blieb der Kampf für die Tiere das zentrale Thema in Henry Spiras Leben. Seine Arbeit wird, zur Zeit unter dem Vorsitz von Peter Singer, von Animal Rights International fortgeführt, aber auch von den vielen großen und kleinen Organisationen, Tierrechtsgruppen und Persönlichkeiten, die bereits als Mitglieder von Spiras Koalition gegen den Draize-Test und gegen den LD50-Test viele Jahre mit ihm zusammenarbeiteten.