Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit
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Viac o knihe
Er verwirrte seine Großmutter, die große Queen Victoria, aufs tiefste; seine Mutter, die liberale „englische Prinzessin“, Tochter der englischen Königin, wandte sich zunehmend von ihm ab; das deutsche Volk liebte ihn und mißtraute ihm zugleich. Wilhelm II. war ein Mann der Widersprüche. „Von Beginn an“, schreibt Christian Graf von Krockow, „gab es ein Hin und Her, etwas Irrlichterndes und Irritierendes, das schon die Zeitgenossen faszinierte und empörte.“ Damit entsprach der Kaiser, wie Krockow auf frappante und eindrucksvolle Weise zeigt, der Epoche, die nicht zufällig nach ihm benannt wird. Das junge deutsche Kaiserreich war im Innern ebenso zerrissen wie der junge Herrscher selbst. Man mokierte sich über die Reden des Kaisers, die äußere Prachtentfaltung, die Phantasie-Uniformen. Das Maßlose, das Großmäulige, das Martialische aber war kennzeichnend auch für die wilhelminische Gesellschaft. Unfähig, mit den sozialen und politischen Verwerfungen fertig zu werden, die die rasante Industrialisierung des Reiches nach sich zog, versuchten die Regierenden in Berlin, durch übertriebenes außenpolitisches Machtgebaren die inneren Spannungen zu überdecken. Und so war Wilhelm II. in fast jeder Hinsicht nicht nur Repräsentant, sondern auch Spiegel seiner Epoche. Ihre Widersprüchlichkeit, ihre Dynamik und ihren Expansionsdrang faßte er in geradezu symbolhafter Weise in sich zusammen: brennend am Fortschritt interessiert, von schneller Auffassungsgabe, überzeugt von der Notwendigkeit einer Friedenspolitik und zugleich sprunghaft, politisch naiv, säbelrasselnd vor allem, wenn es um sein Lieblingsspielzeug ging - die deutsche Schlachtflotte.