Die Maschine kann nicht fühlen, ob der Mensch atmen will
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Viac o knihe
Pflegenotstand, Personalmangel, Apparatemedizin - das Krankenhaus tritt dem Patienten als anonyme Institution gegenüber, die ihn entmündigt. Tim Köhler beleuchtet in seiner Sozialreportage das alltägliche Elend des Medizinbetriebs. Zwei von drei Menschen in Deutschland sterben im Krankenhaus, und die allermeisten von uns sind in dieser Institution zur Welt gekommen. In letzter Konsequenz geht es im Krankenhaus immer um Leben und Tod. Es ist umgeben von der Aura des Heiligen - wir hoffen auf Wunder! -, aber auch unsere schlimmsten Befürchtungen gelten ihm. Mit der Macht einer Naturgewalt bricht das Krankenhaus in das Leben seiner Patienten ein. Am schlimmsten dann, wenn sie arm, alt und einsam sind. Transparent ist ihnen das Geschehen nicht, meist lassen sie geschehen, was angeordnet wird, mutieren zu verwalteten Körpern. Das macht die Kranken noch kränker, und oft raubt es ihnen die Würde. Die Ohnmacht des einzelnen ist das Leitmotiv der High-tech-Medizin. Ihre Unmenschlichkeit ist schwer zu greifen, verbirgt sich hinter der Fassade des technischen Imperativs und des maximalen Aufwands: „Die Maschine pumpt immer so lange, bis sie abgeschaltet wird. Sie kann nicht fühlen, ob der Mensch atmen will oder nicht oder ob er mit der Luft, die in ihn hineingepumpt wird, noch etwas anfangen kann. Sie pumpt weiter, bis jemand den Stecker herauszieht.“ Tim Köhlers Reportagen verstehen sich als schonungslose Aufklärung über einen verdrängten Bereich der Gesellschaft. Wir wollen nicht wahrhaben, daß für jeden von uns das Krankenhaus eines Tages Endstation sein könnte.