Heyne Science Fiction Jahresband 1999.
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Viac o knihe
Der diesjährige Dank des Heyne-Verlags an seine Leser, so der Untertitel des Jahresbandes, der heuer sein zwanzigjähriges Jubiläum feiern kann, enthält fünf Novellen mit Umfängen zwischen 69 und 95 Seiten. Unter diesen Erzählungen ragt die erste in mehrfacher Hinsicht heraus. \"Die Dechronisation von Sam Magruder\" wurde von George Gaylord Simpson verfaßt, einem der führenden Paläontologen des 20. Jahrhunderts. Er war eine Koryphäe in Sachen Dinosaurier. Kaum ist sein Zeitreisender Sam Magruder in der Kreidezeit -- ohne jede Hoffnung auf Rückkehr -- gestrandet, begutachtet er daher auch schon die beherrschende Tierart: Saurier in allen Größen und Farben. Natürlich sind seine Beobachtungen Sprachrohr seines Schöpfers Simpson. Magruder, der sich als eine Art Robinson Crusoe durchschlägt, überliefert seine Geschichte der Nachwelt 80 Mio. Jahre später per Hardcopy: als Ausgrabungsstück. -- Bemerkenswert, daß Herausgeber Jeschke den Wissenschaftler Stephen Jay Gould für das Nachwort gewinnen konnte und -- man lese und staune -- Arthur C. Clarke für das Vorwort. Die Story selbst ist recht lebendig und farbig erzählt, doch auf die Kommentare der Nachwelt, die an den Anfang von H. G. Wells' Roman The Time Machine (1895) erinnern, hätte ich dankend verzichten können. Alan Brennert schildert in seiner Novelle Das Refugium das Leben in einer winzigen Enklave, nachdem eine globale ökologische Katastrophe, verursacht durch Bakterien im Wasser, fast die gesamte Menschheit dahingerafft hat. Im eingeschneiten Florida gerät Ray Bava in einen kleinen Kreis von Leuten, die überleben konnten. Es entspinnt sich ein psychosoziales Drama, in dessen Verlauf Ray sich in die hübsche Gina verliebt, aber unter den Bann des Machtmenschen Valle gerät. Ray hat einen Blackout -- und erwacht in der Klinik für Kälteschlaf. War alles Erinnerung oder Traum? Wie auch immer: Ray findet heraus, daß es eine Gina und einen Valle wirklich gab, sie aber nun ebenfalls in der Kryogenik-Klinik untergebracht sind. Als sich Ray wieder einfrieren läßt, begegnet er Valle und Gina wieder, doch kann er diesmal den Kampf für sich entscheiden -- so scheint es zumindest... In Michael Bishops Novelle Cri de coeur sind drei Kolonistenschiffe unterwegs zu ihrer Siedlungswelt im System Epsilon Eridani. Nach über 100 Jahren erreichen sie endlich ihr Zielsystem, doch schon wird die erste Arche durch Steintrümmer zerstört. Der Erzähler, ein Geologe, hat einen Sohn, Dean, der unter dem Down-Syndrom (Mongolismus) leidet. Diese Andersartigkeit erweist sich als Fluch und Segen zugleich: Er wird stark von seinen Gefühlen bestimmt. Und als sich die Möchtegernsiedler vor die Wahl gestellt sehen, entweder bei der auserwählten Welt noch weitere 100 Jahre auf bessere Bedingungen zu warten oder lieber 50 Jahre weiter zur nächsten Welt zu fliegen, da spielt Dean das Zünglein an der Waage: Er will weiterfliegen, denn an Bord des Schiffes gefällt es ihm am besten. Deans Stimme ist der \"cri de coeur\" des Titels. -- Die stimmungsvoll erzählte Handlung nimmt das ur-amerikanische Thema der Eroberung neuer Welten auf, doch mit einem philosophischen Touch. Sehr schön sind die zahlreichen Gedichte. Ein französischer Autor mit dem Pseudonym \"Ayerdhal\" (= Sussan, Curval, Andrevon, Dorémieux?) hat mit der Novelle \"Mozart revividus\" ein lebendiges Drama über die Bedingungen genialer Kunst im Zeitalter ihrer Reproduzierbarkeit durch Klonen geschrieben. Eine Nobelpreisträgerin der Physik mit dem unseligen Namen Lya Salieri (Salieri war in dem Film Amadeus der Widersacher Mozarts) erschafft im 31. Jahrhundert den Komponisten neu, komplett mit Körper und Geistesinhalten. Durch diesen Akt erhebt sie sich zu seiner Schöpferin, der er fortan in Haßliebe verbunden ist. Als die Regierung die Technik dieser Kloning-Technik haben will, tötet sie sich -- scheinbar. Nachdem \"Madé\" die höchsten Auszeichnungen für seine Kunst erhalten hat, taucht sie wieder auf -- und tötet ihn: In ihm sei ein anderer versteckt, den sie nun benötige. Doch dem abgemeldeten Genie bleibt ein letzter Akt der Rache. -- Die existenzialistische Novelle -- übrigens hervorragend übersetzt -- glänzt durch tiefe philosophische und menschliche Einsichten sowie durch geschliffene Sprache. Leider nervt der Autor stellenweise durch hohes, wenn nicht gar zu hohes Pathos. Die satirische Story von SF-Altmeister Robert Sheckley \"Im Labyrinth des Minotaurus\" liest sich wie Terry Pratchett im modernen Amerika, aber mit dem Personal der klassischen Antike. Frauenheld und Monsterkiller Theseus übernimmt den Auftrag, das Monster Minotaurus im Labyrinth zu killen. Das Problem dabei ist, daß Theseus nicht besonders helle und das Labyrinth so groß ist, daß es das ganze Universum in allen vier Richtungen des Raumes und der Zeit umfaßt. Schuld daran ist mal wieder der verrückte Erfinder Dädalus! Der Autor, der am Schluß der Story gar persönlich auftaucht, erlaubt sich etliche kauzige Späße in der Art von Kurt Vonnegut in seinem Quasi-Roman Zeitbeben. Wie auch immer, dieser vergnügliche Irrsinn ist kurzweilig zu lesen -- so gesehen hätte er eigentlich in die Mitte des Bandes gehört. Fazit: Dieser Jahresband bietet Science-fiction auf höchstem Niveau, sowohl was Ideen, als auch Sprache und Stil anbelangt. Ein guter, anspruchsvoller Einstieg in das Genre. --aus Amazon.de