Ermittlung temperaturabhängiger Materialdaten für die Simulation technischer Thermoplaste bei stoßartiger Beanspruchung
Autori
Viac o knihe
1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG Die rechnergestützte Auslegung von Thermoplastbauteilen mittels der Finite-Elemente-Methode (FEM) hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Standardverfahren etabliert. Gegenüber analytischen Dimensionierungsmethoden besitzt die FEM entscheidende Vorteile, da das Formteilverhalten auch für sehr komplex geformte Bauteile ohne große geometrische Vereinfachungen beschrieben werden kann. Zudem lassen sich geometrische und werkstoffliche Nichtlinearitäten ebenso wie zeitabhängige Randbedingungen berücksichtigen [SSK98]. Im Zuge dessen hat in den letzten Jahren auch die Simulation stoßartig belasteter Bauteile zunehmend an Bedeutung gewonnen. Treibender Faktor hierfür sind vor allem die in den vergangenen Jahren gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit von Automobilkomponenten. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben in den USA [NN06, NN08, NN89] und Europa [NN12d] ist der Nachweis der Bauteilsicherheit heute zwingend erforderlich. Gleichzeitig muss die Bauteilkonstruktion im Zuge einer Reduktion der Produktkosten, die durch kürzere Entwicklungszeiten, Materialeinsparung und die Minimierung von aufwändigen und teuren Prototypen- und Bauteiltests erzielt wird, simulativ abgesichert werden. Während zur Beschreibung des Verformungsverhaltens von Metallen zahlreiche etablierte Modelle existieren, ist die werkstoffgerechte Beschreibung von Kunststoffen noch immer Gegenstand der Forschung [Hie08, KHFB05, VKH07]. Das komplexe Deformationsverhalten thermoplastischer Kunststoffe ist hochgradig nichtlinear und weist u. a. eine ausgeprägte Geschwindigkeits- und Temperaturabhängigkeit auf. Gerade für sicherheitsrelevante Exterieur- und Interieuranwendungen am und im Automobil muss die Funktionsfähigkeit der Komponenten in einem breiten Temperaturintervall von ca. -35 °C bis +85 °C sichergestellt werden [Bri10]. Dabei darf das Bauteil weder bei hohen Temperaturen signifikant an Steifigkeit verlieren, noch darf es bei tiefen Temperaturen spröde versagen oder scharfkantig splittern. Für die Auslegung stoßartig beanspruchter Bauteile benötigt der Konstrukteur daher eine temperaturabhängige Materialbeschreibung, die einfach zu kalibrieren ist und mit der bereits in frühen Phasen des Entwicklungsprozesses das Bauteilverhalten simuliert werden kann.