Der heilige Zeitgeist
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Friedrich Wilhelm Grafs Studien zur protestantischen Universitätstheologie der Zwischenkriegszeit haben seit den 1980er Jahren mancherlei Kontroversen ausgelöst. Kritische Deutungen der antiliberalen Theologien Karl Barths, Friedrich Gogartens und Hans-Joachim Iwands fanden ebenso Widerspruch wie Studien zu dem antidemokratischen Autoritätskult eines konservativen Kulturlutheraners wie Reinhold Seeberg. Dieses Buch bietet eine repräsentative Auswahl aus den theologiehistorischen Studien Grafs zur Weimarer Republik und zu den Anfängen der nationalsozialistischen Diktatur. Am Beispiel des Kreises um Martin Rades „Die Christliche Welt“ zeigt der Autor insbesondere die Resistenz einiger prominenter liberaler Protestanten im NS-Staat. Graf setzt für die Theologiegeschichte der Weimarer Republik auf konsequente Historisierung und, inspiriert auch durch moderne Ideengeschichte und Diskursgeschichte, auf die politische Kontextualisierung theologischer Wissensproduktion. So deutet er insbesondere die von den damals Jüngeren geübte Fundamentalkritik am bürgerlichen theologischen Liberalismus des Kaiserreichs als eine Absage auch an den politischen Liberalismus im Umfeld Friedrich Naumanns. Die „antihistoristische Revolution“ in den frühen 1920er Jahren förderte einen radikal antibürgerlichen Gestus des Unbedingten. Glaubensernste Emphase und Hunger nach Ganzheit gingen vielfältige Verbindungen mit einem dezisinistischen Zeitgeist ein, der es kaum erlaubte, die Konsensbildungsmechanismen und den Kompromissbedarf einer parlamentarischen Demokratie zu erkennen und ernst zu nehmen.