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Naṣr Ḥāmid Abū Zaid und die wiedererfundene ḥisba

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Seit spätestens den 1970er Jahren wird in Ägypten intensiv über die Rolle der Sharî'a im heutigen Rechtssystem diskutiert. Nach der Verfassungsänderung von 1980, welche sie zu der Hauptquelle der Gesetzgebung machte, verlagerte sich die Debatte über die Sharî'a zusehends vor die Gerichte. Der spektakulärste und von der internationalen Öffentlichkeit am stärksten beachtete Fall begann im Mai 1993, als ein Anwaltskollektiv Klage auf Zwangsscheidung zwischen dem Universitätsprofessor Dr. Nasr Hâmid Abû Zaid und seiner Frau Dr. Ibtihâl Yûnis vor dem Personenstandsgericht in Giza einreichte. Die Kläger hatten ihre Klage als hisba begründet, als die Pflicht, ein Recht Gottes zu schützen, denn Abû Zaid habe sich durch seine akademischen Schriften vom Islam abgewendet und sei deshalb ein Apostat. Die religiöse Grundlage der hisba wird mit dem koranischen Gebot, „das Rechte zu mehren, dem Unrecht zu wehren“ (al-amr bil-ma'rûf wan-nahy 'an al-munkar, Sure 3, V. 104) bestimmt. Aus dieser allgemeinen religiös-moralischen Verpflichtung für alle Muslime leitet sich zum einen das Amt des Aufsehers über die Märkte und die öffentliche Ordnung (muhtasib) ab, zum anderen die Einrichtung der hisba-Klage, einer Art Popularklage zur Verteidigung von „Gottes Rechten“, die durch eine Person vorgebracht wird, die keine persönlichen Interessen in dem betreffenden Fall hat. Mit Abschaffung der religiösen Gerichte 1956 war die hisba jedoch aus dem ägyptischen Rechtssystem verschwunden. Das Wiederauftauchen der hisba in den 1990er Jahren, zusammen mit der dann im Januar 1996 erfolgten Verabschiedung eines hisba-Gesetzes, legt zunächst die Deutung des Abû-Zaid-Falls als eines weiteren Beispieles für die Islamisierung des Rechts in Ägypten nahe. Der Autor entscheidet sich aber für eine Deutung als „invention of tradition“ im Sinne Eric Hobsbawms. Auf der Grundlage einer kritischen Prüfung der vorliegenden Forschungsansätze zu Phänomenen des Rechts im arabisch-islamischen Raum und unter der Perspektive des ethnologischen Ansatzes des legal pluralism rekonstruiert die vorliegende Arbeit im Detail die „Wiedererfindung“ der hisba als Tradition in Ägypten durch den und während des Abû-Zaid-Prozesses. Eine Darstellung der Genese der hisba als sowohl einer religiösen Pflicht wie auch als Amt und ihre historische Praxis sowie die Geschichte der ägyptischen Rechtsprechung zur hisba im 20. Jh. bilden den Hintergrund für die vorgeschlagene Deutung. Auch das Ringen um religiöse Autorität und Legitimität im öffentlichen Raum zwischen al-Azhar, der Universität Kairo und der dieser eingegliederten Dâr al-'ulûm kommt zur Sprache. Dabei nutzt der Autor bislang nicht beachtetes umfangreiches Zeitungsmaterial sowie alle Prozessdokumente. Neben der momentan umfassendsten Darstellung des Abû-Zaid-Falls einschließlich einer kurzen Einführung in Abû Zaids zentrale wissenschaftliche Positionen entsteht so ein differenziertes Bild des Rechtsdiskurses in Ägypten zwischen Sharî'a und Qânûn.

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2003, mäkká

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