Untersuchung an Mädeln
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Über die literaturhistorische Einordnung von Albert Drach wurde in den Feuilletons bereits gestritten, bevor er einem breiteren Publikum auch nur dem Namen nach bekannt war. Meist wurde der praktizierende Jurist pauschal zum Nachfolger eines Herzmanovsky-Orlando erklärt, womit beiden Schriftstellern Gewalt angetan wurde. Drach ist in thematischer wie stilistischer Hinsicht durchaus eigenständig, was nicht zuletzt der vorliegende Roman nachdrücklich unter Beweis stellt. Untersuchung an Mädeln gehört zur heute so populären Gattung des Gerichtsromans, doch damit hört die Verwandtschaft zu Grisham und Konsorten auch schon auf. In durchgängig konjunktivistischem Protokollstil schildert Drach, wie die beiden Mädel Stella Blumentrost und Esmaralda Nepalek beim Autostoppen an den grobschlächtigen Stechviehhändler Joseph Thugut geraten und von ihm vergewaltigt werden. Schließlich gelingt es ihnen, den Mann niederzuschlagen und mit seinem Wagen zu fliehen. Allerdings werden sie bald von einer Ordnungskraft aufgegriffen und der örtlichen Behörde überstellt. Die Anklage lautet auf Mord, obwohl oder gerade weil vom Viehhändler jede Spur fehlt. Mit akribischer Genauigkeit wird nun das Vorleben der beiden jungen Frauen in Augenschein genommen, stets mit dem Blick darauf, ob es geeignet ist, sie weiter zu belasten. Bürokratische Halsstarrigkeit und lüsterne Altmännerfantasien passen den wirklichen Verlauf der Ereignisse den Erwartungen an, was Drach wortgewaltig auf den Punkt bringt: \"Und es kommt nicht darauf an, ob der Mord wirklich geschehen ist. Es genügt, dass er angenommen wird. Und das Gericht hat nicht zu suchen, ob irgendwo ein Zweifel vorhanden ist. Es hat den Zweifel aus der Welt zu schaffen, indem es urteilt.\" Der vorliegende Band eröffnet eine Werkausgabe des Autors, den das Times Literary Supplement bereits 1968 in einem Atemzug mit Elias Canetti zu den \"bedeutendsten Avantgardisten deutscher Zunge\" zählte und der aus Anlass seines 100. Geburtstages mit einer umfangreichen Biografie gewürdigt wurde. Die Untersuchung an Mädeln zeigt Drach auf dem Höhepunkt seiner Kunst: Trotz ihres auf den ersten Blick eher trockenen Stils ist sie von Anfang bis Ende mitreißend -- das Musterstück eines Kriminalromans als Sittenbild. Schade nur, das dergleichen hier zu Lande nicht mehr Schule gemacht hat. Umso eher sollte diese Neuausgabe Beachtung finden. --Hannes Riffel