Engagierte Politikwissenschaft
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Die ausgewählten Schriften von Alois Riklin (1935), emeritierter Professor für Politikwissenschaft und ehemaliger Rektor der Universität St. Gallen, umfassen den Zeitraum von 1968 bis 2017. Es handelt sich überwiegend um Artikel, die in Festschriften, Sammelbänden und Zeitschriften vergraben waren. Die dreiunddreissig Essais sind je chronologisch nach vier Themenbereichen geordnet: Ideen- und Verfassungsgeschichte, Politische Ethik, Schweizerische Innen- und Aussenpolitik sowie Universitäts- und Wissenschaftspolitik. Sind es allesamt Ladenhüter? Keineswegs, meint der Autor. Denn: Führt der älteste Beitrag nicht direkt in die heutige Debatte über «Schumans supranationales Europa oder de Gaulles Europa der Staaten?» (1968)? Passt die St. Galler Antrittsvorlesung «Schweizerische Unabhängigkeit heute» (1971) nicht zur aktuellen Selbstbestimmungsinitiative, welche den Vorrang der direkten Demokratie gegenüber dem Völkerrecht postuliert? Ist die St. Galler Abschiedsvorlesung «Wahrhaftigkeit in der Politik» (2001) in einer Zeit von Fake News, alternativen Fakten und professioneller Desinformation nicht brandaktuell? Und ist die Budapester Abschiedsvorlesung (2010) nicht ein Gegenmodell zu Orbans «nichtliberaler Demokratie» ohne Zivilgesellschaft? Alois Riklin vertritt eher eine juristisch, historisch und philosophisch basierte Politikwissenschaft alter Schule. Im Geleitwort fundiert er sein wertorientiertes Wissenschaftsverständnis in Auseinandersetzung mit der von Max Weber vor hundert Jahren angestossenen Werturteilsdebatte. 1955 schrieb er in seinem Matura-Aufsatz begeistert über die im gleichen Jahr erschienene Broschüre «Achtung die Schweiz» von Max Frisch. Aber er steigerte Frischs Parole «Man ist nicht realistisch, wenn man keine Ideen hat» zu «Man ist nicht realistisch, wenn man keine Ideale hat.» Mit diesem Motto beginnt und schliesst das Geleitwort. Es begründet Riklins «Engagierte Politikwissenschaft».