Briefe aus dem Nachlass
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Viac o knihe
Der dritte Band der 'Briefe aus dem Nachlass' von Erwin Rohde (1845-1898) umfasst knapp drei Jahre (Februar 1876 bis Dezember 1878). Kernstück sind Rohdes Briefe an die Braut: Anfangs freundlich, werden sie bald ungerecht und unangenehm schroff: er beklagt die lähmende Inhaltslosigkeit ihrer Korrespondenz. Er fühlt sich in der Falle. Der Altersunterschied von 14 Jahren mit großem Bildungsabstand macht sich ihm bemerkbar; Erinnerung an eine unlängst überstandene Leidenschaft und das Vergleichen erschweren ihm den Zugang zur neuen, im Grunde erwünschten Gemeinschaft. Er möchte den harten Schnitt der Lösung nicht tun, er will, dass sie die Verlobung zurück nimmt. Sie kann es nicht. Er findet sich drein, die Briefe werden wieder freundlich. Rohdes Fluchtreflex als Bräutigam ist nicht ungewöhnlich, weder für diese Zeit noch allgemein. Auffallend ist jedoch, auch in dieser Situation, das hohe Maß an Selbstreflexion, gepaart mit großer Fähigkeit zu Empathie. Er lässt die junge Frau an seinen Kämpfen teilnehmen. Er hält ihre Korrespondenz zwar für inhaltslos, für den Leser aber ist sie von bewegender Dramatik. Aus der Beziehung, der man, nach W. Burkert, anfänglich keine Chance einräumen mag, wird eine glückliche Ehe. Die Briefe an die Freunde handeln von Berufungsangelegenheiten, Bayreuth, Gesundheitsproblemen, der finanziellen Misere der Universität Jena, Arbeitsüberlastung. Überdruß, ja eigentliches Leiden an der 'Jetztzeit', der Berliner Reichs- und Wissenschaftspolitik verbindet als Grundbefinden Rohdes Freundeskreis, zu dem sich Franz Rühl (Universität Königsberg) immer deutlicher gesellt. So wird Erwin Rohde als sozialer Aufsteiger auch in diesem Briefband zum interessanten Zeugen einer Zeit im Wandel.