Bürgerarbeit - Teil der großen Umverteilung?
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Viac o knihe
Beschäftigungsprogramme wie die früheren 'Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen' oder die heutigen 'Ein-Euro-Jobs' gelten als Ausdruck einer längerfristigen Experimentierphase im Umgang mit massenhafter Erwerbslosigkeit. Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind bekannt: Öffnung der Lohnskala nach unten durch Förderung außertariflicher, nicht existenzsichernder Arbeit sowie Verdrängung regulärer Arbeitsplätze. Das Instrument der 'Bürgerarbeit' – von Thilo Sarrazin als 'Mittel zur Integration der Unterschicht' gepriesen, von anderen als Teil von Armutsverwaltung kritisiert – fügt sich in diese Entwicklung ein. 2010 als Modellprojekt der Bundesregierung gestartet und 2012 in Gesetzesform gegossen, lässt sich das 'Workfare'-Programm im Rahmen grundsätzlicher Änderungen in den Arbeits- und Sozialbeziehungen sehen. Zugeschriebene Minderleistung und um bis zu ein Drittel niedrigere Entgelte als der Tariflohn definieren derzeit die Abgrenzung zwischen den 'ArbeitsbürgerInnen' mit ihrer arbeits- und sozialrechtlichen Position und einer neuen, zunehmend stigmatisierten und entrechteten 'arbeitenden Unterklasse'. Wolfgang Richter und Irina Vellay legen dazu eine empirische Studie am Beispiel von Dortmund vor. Sie begleiteten 'BürgerarbeiterInnen' bei ihren Tätigkeiten und befragten AnleiterInnen, Jobcoaches und ArbeitsvermittlerInnen. So konnten sie nicht nur Zumutungen und Verfahrensfehler aufzeigen, sondern auch die Arbeits- und Lebenssituation sowie Ideen und Einstellungen der Betroffenen nachzeichnen. Sie zeigen: Die Programmbeschäftigung ist ein hoch umkämpftes strategisches Feld für die Gestaltung der Arbeitswelt von morgen und der sozialen Verfasstheit der Gesellschaft. Zudem fragen sie: Wie lassen sich die konkreten Bedingungen verbessern, wie ist die Abwärtsspirale bei der Lohnentwicklung zu stoppen?