Untersuchungen an mutmaßlichen Virulenzfaktoren von Trueperella bonasi und Trueperella bialowiezensis
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Viac o knihe
Seit 1962 wird bei männlichen Flachlandwisenten (Bison bonasus) im Bialowieza Nationalpark in Weißrussland und ab 1980 auch im polnischen Teil des Nationalparks eine nekrotisierende Entzündung des Genitaltrakts (Balanoposthitis) beobachtet (Bunevich, 2010; Krasinska und Krasinski, 2010). Im fortgeschrittenen Stadium führt die Erkrankung zur Ödematisierung der Haut in der Präputialregion, Eiteransammlung in der Präputialhöhle, Paraphimose sowie Autoamputation der Penisspitze (Wolf et al., 2000). Von der Balanoposthitis sind jährlich etwa 6,4% der männlichen Tiere im Bialowieza Nationalpark betroffen (Krasinska und Krasinski, 2010). Die nekrotischen Veränderungen wurden bei Bullen im Alter von 3 Monaten bis 20 Jahren (Bunevich, 2010; Krasinska und Krasinski, 2010) festgestellt. Die Ätiologie der Erkrankung ist unbekannt, jedoch wurden virale Erreger bisher ausgeschlossen (Borchers et al., 2002; Anusz et al., 2007). Es besteht der Verdacht, dass Trueperella bonasi comb. nov. (im Folgenden als T. bonasi abgekürzt) und Trueperella bialowiezensis comb. nov. (im Folgenden als T. bialowiezensis abgekürzt), die ausschließlich bei an Balanoposthitis erkrankten Bullen in allen Krankheitsstadien (I-III) nachgewiesen wurden, eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen (Lehnen 2005, S.102). Als begünstigende Faktoren gelten Stoffwechselstörungen und Immunschwäche infolge geringer genetischer Variabilität durch Inzucht (Lünser et al., 2005; Bunevich, 2010). Der Wisent ist eine vom Aussterben bedrohte Tierart, die weltweit nur noch 4.032 Exemplare (Stand 2010) umfasst. Rund 20% (n = 820) dieser Tiere leben heute frei im Nationalpark Bialowieza beiderseits der polnisch-weißrussischen Grenze (Bunevich, 2010). Als größte freilebende Population stellt sie ein wichtiges Reservoir für die Erhaltung der Art dar. Wisentbullen, die an Balanoposthitis leiden, können im späten Stadium der Erkrankung am Reproduktionsgeschehen nicht mehr teilnehmen, wodurch ihr genetisches Material für die Gesamtwisentpopulation verloren geht. Bevor die Ätiologie der Erkrankung nicht geklärt ist, können zudem keine Bullen zu Zuchtzwecken in andere Wisenthaltungen verbracht werden. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob T. bonasi und T. bialowiezensis ursächlich oder sekundär an der Entstehung der Balanoposthitis beim Wisent beteiligt sind. Als Indikator für die Pathogenität der Bakterien wurden Virulenzfaktoren herangezogen. Virulenzfaktoren sind Faktoren, die es einem Bakterium oder Virus ermöglichen, mit Wirtszellen in Kontakt zu treten, sich z. B. an die Wirtszellstrukturen anzuheften, diese zu zerstören und somit zur Schädigung oder zum Absterben der Zelle und des Wirts führen. Die Auswahl der untersuchten Virulenzfaktoren orientierte sich an bedeutenden Virulenzfaktoren phylogenetisch nahe verwandter pathogener Bakterien, insbesondere Trueperella pyogenes comb. nov (im Folgenden als T. pyogenes abgekürzt) und Arcanobacterium haemolyticum (A. haemolyticum), die in der Lage sind, der Balanoposthitis ähnliche Entzündungen auf Haut und Schleimhäuten von Säugetieren einschließlich des Menschen hervorzurufen (Lämmler, 1990; Jost und Billington, 2005; Lucas, 2009).