Der heilige Tod
Autori
Viac o knihe
Die ästhetische Norm, über den Tod schön zu sprechen, wird seit Beginn der Moderne abgelehnt. Biographien, die ein Leben als Lebenskunstwerk und sein Ende als Vollendung darstellen, gelten als , Hagiographie‘. Zugleich offenbart die Allgegenwart von Legenden in allen Medien, dass ein starkes Bedürfnis nach Legendarisierung besteht. Die Literaturwissenschaftlerin Martina Hornung untersucht die Sogkraft von Legendenbausteinen in Darstellungen von Schillers, Goethes und Heines Sterben. Sie zeigt Legenden als bewusste sprachliche Arrangements in der modernen Biographik und arbeitet heraus, wie das historische Material bereits im Umfeld des Todes manipuliert wird. Anhand vieler ausführlicher Zitate lässt sich dabei fast schon , miterleben‘, wie der Tod der drei deutschen Künstler von Legenden überwuchert wird und wie, was sich schließlich verfestigt, oft kaum noch etwas mit deren tatsächlichem Sterben zu tun hat. Die Arbeit spannt einen Bogen von der Legendenproduktion zu Lebzeiten, dann in Berichten von Augenzeugen des Todes, in Briefen, Nekrologen und im Pressediskurs bis zur Festschreibung identitätsstiftender Legenden in der Biographik und verfolgt deren Varianten und Tradierungsbrüche bis in jüngste Zeit. Das Ergebnis ist eine fesselnde quellen- und ideologiekritische Analyse biographischer Todesdarstellungen über 200 Jahre hinweg und eine umfassende Bestandsaufnahme der Verfahren, mit denen Lebensgeschichte legendenkonform organisiert wird, wobei vor allem die , letzten Dinge‘ konstruierte Beweiskraft erhalten. Mit Schiller als Typus des leidenschaftlich ringenden Idealisten, Goethe als lebenssattem Patriarchen der Klassik und Heine als Ketzer der Aufklärung und im Leid geläutertem bösem Buben zwischen Romantik und Realismus werden dabei drei gegensätzliche und doch vergleichbare Modelle heiligen Sterbens vorgestellt – sowie deren hässliche Gegenkonstrukte. Theoretische Überlegungen und ein Blick auf die immer schnellere Legendenproduktion und -destruktion v. a. im Internet, etwa beim Tod von Papst Johannes Paul II., runden die Studie ab.