Narrenschiff Zeitgeistpädagogik
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Viac o knihe
Seit dem Mittelalter ist das Bild vom Narrenschiff eine einprägsame Metapher für gesellschaftliche Torheiten und Scheuklappenblindheiten aller Art. Sowohl die Literatur als auch die Malerei nahmen moralsatirisch dieses Thema, das nie aus der Mode zu kommen scheint, aufs Korn. Es ist wieder einmal so weit: Die neuen Narrenschiffe werden zu Wasser gelassen. Eines davon ist das Narrenschiff „Zeitgeistpädagogik“; es ist hoffnungslos überladen, hat aber dafür keine Seekarten. Das Ziel ist klar: Irgendwo da draußen muß es eine schöne neue Welt geben, in der unermeßliche Goldschätze auf die Entdecker warten. Kleines Problem am Rande: Die Mäzene der Expedition sind säumig mit der Geldüberweisung. Die Bildungsreform weist frappante Parallelen zur mißglückten Rechtschreibreform auf, die der Verlag dieses Buches wegen Unsinnigkeit bis heute verweigert. Hier wie dort waren und sind Experten am Werk, die auffälliges Gackern und Getöse mit Eierlegen verwechseln. Es ist zu fürchten, daß wieder einmal der Berg kreißen, aber nur ein winziges Mäuslein geboren wird. Die „Neue Rechtschreibung“ ist ja das Paradebeispiel einer Innovation, die leider schlechter ist als das Vorgängermodell. Alles sollte einfacher und „logischer“ werden. Alles ist komplizierter und weniger logisch geworden, eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes und eine skandalöse Geldvernichtungsaktion. Da habe ich wahrscheinlich auch schon die neue Bildungsreform mit einem Satz auf den Punkt gebracht. In der allgemeinen Reformhysterie stehen die Tore weit offen für jeden, der das Wort „Innovation“ ohne gröberen Fehler aussprechen kann. Wie beim Lotto ist im Moment nichts unmöglich, vieles aber unglaublich. Das Narrenschiff „Zeitgeistpädagogik“ segelt dem Sonnenuntergang entgegen. Denn ewig lockt die Bildungsferne. Wieder hat Gottfried Wagner - nach seiner vieldiskutierten Streitschrift „Tatort Pädagogik. Alles Reform - oder was?“ - den Satirestift gezückt und der Zeitgeistpädagogik die Larve vom Gesicht gerissen. Eine Pflichtlektüre für alle, die sich den kritischen Blick auf das Reizthema „Schulreform“ nicht von selbsternannten Bildungsweisen und Zukunftsbeschwörern vernebeln lassen wollen.