Brecht dem Schütz die Gräten, alle Macht den Räten
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Viac o knihe
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.“ Wohl kaum eine These des jungen Karl Marx könnte den gedanklichen Antagonismus der 1968er-Bewegung besser umschreiben als jene philosophische Expertise des Jahres 1845. Sie steckt gewissermaßen ein Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis ab, das seit jeher die ideologischen Reibereien linker Demokratisierungs-Bewegungen in Deutschland bestimmt. Die Außerparlamentarische Bewegung der späten 1960er-Jahre war hier keine Ausnahme. Auch sie begab sich auf die Suche nach der „konkreten Utopie“ (Kursbuch 1968), nach der theoretischen wie praktischen Systemalternative, die sowohl konkrete Perspektive als auch abstrakte Hoffnung bieten sollte. Ein „Gedanke für die Zukunft“ müsse gefunden werden, fernab liberal-repräsentativer Demokratie – als wissenschaftliche Offenbarung neuer Wege und Ansätze. Vergangene Sehnsüchte der Arbeiterbewegung erfreuten sich neuer Beliebtheit: Direktes Mandat, Rotation der Ämter und die Einheit von Demokratie und Öffentlichkeit. „Alle Macht den Räten“ erschien vier Jahrzehnte nach der Novemberrevolution 1918 als glanzvolle Losung einer besseren und gerechteren Welt. Björn Allmendinger untersucht, ob die historischen Bezüge unreflektiert als Verständniskrücken für ein abstraktes Utopia dienten oder ob die Akteure der 68er-Bewegung die erkannten Schwächen ihrer Vorbilder aktiv zu überwinden suchten.