Die Verteidigung der Kultur
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Viac o knihe
In den deutschen Debatten um die kulturelle und politische Moderne bilden Mythos und Musik zusammen den Kern einer dezidiert deutschen Kultur, die Teilhabe an dem Geheimnis der Welt bedeutet und so den Gegensatz zur ephemeren Zivilisation und Politik darstellt. Es ist vor allem das Bildungsbürgertum, das ‚Kultur‘ als das kollektiv Imaginäre in Deutschland festschreibt, das identitätsstiftend Suprematievorstellungen befördert. Diesem Zusammenhang geht die Studie an verschiedenen Beispielen nach: Der Streit zwischen den Komponisten Ferruccio Busoni und Hans Pfitzner entzündet sich an den unterschiedlichen Konzepten, die Musik mit dem Mythos als Möglichkeit transzendenter Erfahrung und religiöser Sinnstiftung zu verbinden. Pfitzner reagiert kulturkonservativ und nationalistisch auf Busonis modernistisches Musikkonzept und erkennt darin einen Versuch, Deutschland durch die Musik zu demokratisieren. Der Streit zwischen den beiden Komponisten verdeutlicht das eminent Politische der vermeintlich politikfernen deutschen Kultur. – Thomas Mann reflektiert in seinen essayistischen Schriften wie im Doktor Faustus auf beide Komponisten und führt den besonderen Rang deutscher Kultur stets auf die Musik zurück. Er entwirft ein eng damit verbundenes bildungsbürgerliches, meritokratisches Demokratiemodell. Mann bleibt seinem spätestens 1909 entwickelten Kulturbegriff zeitlebens treu; er löst nur die enge Verbindung mit der Politik des Kaiserreichs, um die Demokratie und die Republik als Werkzeuge zur Erfüllung deutscher Kultur einzurichten. Abschließend wird der Doktor Faustus als geschichtsphilosophischer und musikorientierter Entwurf einer modernen Ästhetik zwischen den politisch besetzten Polen von Kultur und Zivilisation interpretiert, die die Suprematievorstellungen um freiheitliche Konzepte ergänzt. – Zuletzt wird Hanns Eislers Johann Faustus in seiner Abhängigkeit vom tradierten Kulturbegriff nachgezeichnet. Dabei wird deutlich, dass die DDR in ihrer Gründungsphase dem kollektiv Imaginären seit dem Kaiserreich verpflichtet bleibt, die ‚Kultur‘ jedoch mit einem anderen, trotzdem totalitären System verknüpfte. Damit wird auch das Scheitern des pädagogischen Projekts Thomas Manns deutlich: Sowohl Eislers Notizen und sein Libretto, aber auch die kulturpolitische Debatte um Johann Faustus beweisen, dass Manns demokratische Ästhetik keinen Rückhalt gefunden hat.