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Die verlorenen Freunde

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Unser Leben besteht nicht nur aus Tagen, Monaten, Jahren, aus faßbaren Ereignissen und Geschehnissen, aus erfühlten Höhepunkten und Tiefen. Unser Leben ist auch ein Mythos, also etwas Unbegreifliches, Geheimnisvolles. So hab ich's gelesen in einem Buch, dessen Autor und Titel mir nicht mehr gegenwärtig sind. Die Idee vom Lebensmythos blieb mir im Gedächtnis und ich möchte sie übertragen auf einen Teil meines Lebens, auf jenen Teil, den ich im Dritten Reich durchlebte von meinem achten bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr. Alle Realität aus dieser Zeit ist verschwunden, alle Gefühle und Empfindungen haben sich verflüchtigt. Auf alten, kleinen, vergilbten und randgezackten Fotografien sehe ich einen blondgelockten Pimpf, in seitlicher Pose stützt er sich gegen einen jungen Zwetschgenbaum, von vorn zeigt er sich mit entschlossen verkniffenem Mund, die Hände am Koppel. Was geht vor hinter der durch die Mütze verschatteten Stirn? Fünfzehn Jahre alt ist er und gerade Jungzugführer geworden. Auf anderen Bildern, wenig später nur, sehe ich den Fähnleinführer, wie er vor seinem Jungvolk steht. Er trägt zum letzten mal das braune Hemd mit dem schwarzen, vom Lederknoten zusammengehaltenen Tuch um den Hals, an der linken Brustseite schaukelt die weiß-grüne Führerkordel. Links im Bild der Fanfarenzug, ich zähle sechs Fanfaren und sechs Trommeln, der Führer schwingt seine Fanfare zum Takt: Der Fähnleinführer verabschiedet sich von seinen Pimpfen und übergibt das Fähnlein seinem neben ihm stehenden Nachfolger. Ich schaue und staune. Wie locker und selbstverständlich dieser Fähnleinführer vor seinen im Karree versammelten Jungen steht, als sei er dafür seit eh bestimmt gewesen. Ich nehme ein anderes Bild zur Hand. Ich sehe den jungen Rekruten in feldgrauer Uniform, sein Gesicht spiegelt gläubigen Idealismus kurz vor seiner Abstellung an die Front. Lange schaue ich auf das letzte Soldatenbild, es zeigt den Fähnrich, mit schwarzer Panzeruniform, am Revers und an der Brusttasche seine Kriegsauszeichnungen. Immer noch ein unglaublich junges Gesicht, aber die Züge haben sich verändert. Indem sich meine Gedanken mit diesen Bildern beschäftigen, entfernt sich die dargestellte Person immer mehr von mir. Laut muß ich zu mir sagen: das bist du, aber ich werde mein Gefühl unüberbrückbarer Distanz nicht los. Es ist schwer zu begreifen, daß ich in die Gesichter meines ersten Lebens schaue. Ich weiß, ich bin es, aber ich kann keine Kontinuität zwischen damals und danach erkennen. Ein Mythos also. Deshalb ist das Schreiben über diese Zeit so schwierig, so unvollständig, so ungenau, letztlich so willkürlich. Wie und was soll man über einen Mythos berichten, ein Mythos, der sich wie jeder in ein geheimnisvolles Dunkel hüllt? Ich habe es trotzdem versucht, ein Trieb, ein starkes Verlangen verführte mich dazu – nicht um des Schreibens willen, nein: um diesem ersten Leben auf die Spur zu kommen, um tiefer in mein Herz zu blicken. Daraus ergibt sich von selbst: es ist meine Geschichte, die ich hier in Form zu bringen versuche, sie zu verallgemeinern, in einen generationstypischen Bezug zu bringen, ist nicht meine Absicht. Und immer bitte ich zu berücksichtigen: es handelt sich um die Schilderungen eines über Siebzigjährigen, da ist nicht auszuschließen, daß in die erinnerte Zeit viel eingeflossen ist von der Lebensschau und vom Erfahrungsschatz des Erzählers.

Parametre

ISBN
9783896268082
Vydavateľstvo
trafo

Kategórie

Variant knihy

2008

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