Bevor Big Brother kam
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Viac o knihe
Welchen Mechanismen sind die ZuseherInnen des Fernsehens ausgesetzt? Wie wirken diese Mechanismen? Wie könnten sie umgangen werden? Diesen Fragen wird an Schnittpunkten, Reibungsflächen, gegenseitigen Wechselwirkungen und vor allem Interaktionen zwischen gesendetem Material und seinen RezipientInnen in ihrem Alltag nachgegangen. Kernbegriffe sind dabei Identifikation, Faszination, Popularität, Vergnügen und Widerstand. Sabine Prokop geht von einem reversiblen Verhältnis zwischen Mensch und Apparat aus, wobei zum Apparat des Fernsehens auch Produktions- und Vermarktungsbedingungen zu zählen sind. Die ZuseherInnen werden durch diesen Apparat nicht so sehr zur Identifikation mit dem dargestellten Geschehen gebracht, als viel mehr mit den Personen, die dieses Geschehen inszenieren. Sie nehmen somit die Position der Kamera ein und halten das für bewegte Realität(swiedergabe), was reduzierte Darstellungen von Teilaspekten sind. Dahinter steht der immense, bei der Herstellung von Kino- und Fernsehfilmen nötige Personen-, Arbeits- und Geräteaufwand zur Konstruktion der film- und fernsehspezifischen Wirklichkeiten. Ihr Modus Blicke zu lenken führt von verschiedenen Perspektivekonstruktionen und Kompositionselementen fotografischer Bilder über die Entwicklung des Filmschnitts und der Film- und Fernsehsprache mit ihren ideologischen Hintergründen zur fernsehspezifischen Fragmentierung. Dieser aufwändige Prozess der Transformation des Realen wird weitgehend verschleiert. Anhand von Mediensemiotik und Cultural Studies werden Texte als offene, dynamisierte und reibungsvoll vor sich gehende Prozesse analysiert, wenn ein von TV-Sendeanstalten ausgestrahltes Programm im Moment der Rezeption zum Text, d. h. zum Produkt seiner LeserInnen, wird. Es aktiviert in Interaktion mit seinen ZuseherInnen encodiert eingeschriebene und somit kulturell zur Verfügung stehende mögliche Bedeutungen der sozialen Identität und Alltagswelt der RezipientInnen, was gewisse Regelmäßigkeiten und strukturelle Ähnlichkeiten im TV dementsprechend vorhersagbar macht. Populär kann im Fernsehen nur werden, was einen oder mehrere referenzierbare Subtexte anbietet und auch ein Lesen gegen den Strich möglich macht. Verschiedene kulturelle Bereiche gehen jedoch verloren, indem sie aus den medialen Diskursen hinausgedrängt werden. Das Spezifische des Mediums, die Faszination der Filmleinwand im dunklen Kino oder des flimmernden Bildschirms zu Hause wird am Blick festgemacht und thematisiert die Schaulust in Anlehnung an Freuds Theorie des Voyeurismus. Welches Vergnügen ist nun in der Fernsehrezeption möglich? Von feministischen Wissenschaften und Cultural Studies wird im Vergnügen die Möglichkeit vermutet, Widerstandspotenzial gegen repressive sozio-kulturelle Strukturen zu entwickeln. Vergnügen kann etwa in der Freude des Wiedererkennens entstehen, das sich beim Fernsehen laufend findet, da dieses sich ständig auf sich selbst und den medial konstruierten Alltag bezieht. Inwiefern welches Widerstandspotenzial gegen die im Apparat des Fernsehens eingeschriebenen Strukturen wann wie aufgerufen oder aktiv wird, beschreibt dieses Buch im abschließenden Kapitel anhand ausgesuchter Beispiele aus dem Programmfluss des Fernsehens.