Raumerfahrung in der klassischen Moderne
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Viac o knihe
In Erzähltexten der klassischen Moderne gewinnt Raumdarstellung erstmals deutlich an Umfang, Genauigkeit und subjektiver Erlebnisqualität. Dabei erweist sich die bedeutungstragende Funktion von Raumkonzeptionen als aufschlußreich für die Wertvorstellungen und das Wirklichkeitsverständnis in dieser Epoche des Umbruchs. Insbesondere lassen die Texte erkennen, daß traditionelle Geschlechterstereotypen nicht nur vorgeführt und scheinbar bestätigt sondern vor allem auch zur Disposition gestellt werden, womit sich Möglichkeiten zu einer progressiven Erneuerung eröffnen. Der kulturgeschichtliche Aussagewert von narrativer Raumdarstellung wird exemplarisch anhand der erzählerischen Darstellung von drei räumlich-thematischen Bereichen untersucht, die für die klassische Moderne besonders aufschlußreich sind. Der neue soziokulturelle Erfahrungsraum der Großstadt erscheint in einer Ambivalenz von Freiheit und Bedrohung, die von Frauen und Männern unterschiedlich genutzte Chancen und Risiken bietet. Das Reisen ermöglicht die Befriedigung zahlreicher Bedürfnisse in der Überschreitung von Grenzen, in der Eröffnung von Freiräumen, durch die Begegnung mit dem Fremden und die Erprobung eigener Fähigkeiten. Der Beitrag von Frauen zur Reiseliteratur erweist sich in dieser Zeit als besonders innovativ. Die im Körperlichen situierten Arten der Wahrnehmung des Raumes schließlich spielen eine wichtige Rolle bei der Erfassung von Raumbedeutung und für die Identitätsentwicklung einer Person. Raumdarstellung in Erzähltexten erweist sich als Ausdruck kultureller Erfahrung der klassischen Moderne. Die Auswahl der Textbeispiele umfaßt insbesondere frauenzentrierte Romane und Reiseberichte und leistet neben einer genderorientierten Analyse auch einen Beitrag zur Kanonrevision.