Hans Werner Henze - Musik und Sprache
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Hans Werner Henze, geboren am 1. Juli 1926 in Gütersloh, gehört zu jener Generation von Deutschen, deren Kindheit und Jugend durch den „Nationalsozialismus“ entscheidend geprägt waren. Wichtiger als der frühe Klavierunterricht in Bielefeld und das 1942 an der Staatsmusikschule Braunschweig begonnene Studium waren für ihn die konkreten Erfahrungen von Faschismus und Krieg. Sein Vater, ein nazistischer Dorfschullehrer und begeisterter Kriegsfreiwilliger, stieß ihn ebenso ab wie das Wüten der SS in Braunschweig gegen nicht angepasste Jugendliche. Im letzten Kriegsjahr wurde der 18jährige zu Arbeits- und Militärdienst eingezogen und gelangte 1945 in englische Kriegsgefangenschaft. Zwölf Jahre Nazi-Erfahrung haben Henze zum Antifaschisten gemacht. Die Nachkriegsjahre begannen mit einem Kompositionsstudium bei Wolfgang Fortner in Heidelberg, verbunden mit eigener Kompositionstätigkeit. Der Erfolg stellte sich sofort ein: Aufgrund der Uraufführung seines Kammerkonzerts (1946) beim ersten Internationalen Ferienkurs für Neue Musik in Schloss Kranichstein bei Darmstadt wurde Henze vom Schott-Verlag unter Vertrag genommen. Zwar gab es auch „Durchfälle“ und Skandale um Henze-Aufführungen (König Hirsch, 1953/55; Maratona, 1956), aber mit den Balletten bzw. Opern Der Idiot (1952), Elegie für junge Liebende (1959/61), Der junge Lord (1963/64) bis zu den Bassariden (1964/65) erwarb sich Henze gleichwohl den Ruf als bedeutendster zeitgenössischer Komponist des Musiktheaters. Ab 1966 geriet Henze in eine fundamentale Identitätskrise, an die sich eine Neuorientierung mit dem Bekenntnis zur politischen Verantwortung des Künstlers anschloss. Er schrieb forthin Musik über politische Texte (z. B. Das Floß der „Medusa“, 1967/68; El Cimarrón, 1969/70; Voices, 1973; We come to the river, 1974/76; 9. Sinfonie, 1995/97), daneben aber immer auch allenfalls implizit politische Werke (z. B. Bratschenkonzert, 1969/70; Gitarrenkonzert, 1985/86; 10. Sinfonie, 1997/2000; Elogium musicum, 2007/08). 1953 war Henze nach Italien übergesiedelt, wo er – zunächst auf Ischia, später in Neapel und bei Rom – als dreifacher Außenseiter (Linker, Homosexueller und gescholtener „Traditionalist“) meinte besser leben zu können. Er pflegte eine enge Künstlerfreundschaft mit Ingeborg Bachmann (1926–1973) und verband sich seit 1967 mit Fausto Moroni (1944–2007). Obwohl er in Italien lebte, betrachtete Henze sich als deutscher Komponist. Er starb am 27. Oktober in Dresden und wurde in Marino bei Rom beigesetzt. Nachdem er am Mozarteum in Salzburg 1962–67 eine Meisterklasse für Komposition geführt hatte, erhielt er 1980 einen Ruf als Professor für Komposition an der Kölner Musikhochschule (bis 1991). 1976–80 gründete und leitete Henze den Cantiere Internazionale d'Arte in Montepulciano; ähnliche kommunalpädagogische Projekte in der Steiermark, in Westfalen und Schleswig-Holstein schlossen sich an. 1988 gründete er die Münchener Biennale, deren Intendant er bis 1994 war. Zahlreiche Ehrungen belegen die weltweite Anerkennung Henzes (u. a. Ernst von Siemens-Musikpreis, München 1990; Praemium Imperiale, Tokyo 2000). Die Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 ehrte den 84jährigen mit einem „Henze-Projekt“.