Quo vadis, IG Metall?
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Quo vadis, IG Metall? Anlass dieser Frage war der beispiellose Richtungsstreit über die Prioritäten der Tarifpolitik und ein öffentlich ausgetragener Machtkampf um den Vorsitz der IG Metall zwischen Klaus Zwickel und Jürgen Peters sowie der gescheiterte Metaller-Streik im Osten. Mit dem ersten Streikabbruch seit fast fünfzig Jahren sind die tarifpolitischen Grundsätze der Nachkriegszeit an ihr Ende gekommen. Die Konzeption, dass der zentrale Gewerkschaftsapparat die Kompetenz hat, republikweit die entscheidenden Parameter der Arbeitsbedingungen festzulegen, steht auf dem Prüfstand. Die immer noch vorherrschende Neigung der IG Metall, jeden Schritt weg vom tarifrechtlichen Status quo pauschal mit der Zerstörung der Tarifautonomie gleichzusetzen, wird sich auf Dauer nicht halten lassen. In kurzer Zeit vollzog denn auch der neue IG Metall-Vorsitzende Jürgen Peters eine Kehrtwende und war zu einer gemeinsamen Erklärung mit Gesamtmetall über weitere Flexibilisierungsanstrengungen innerhalb des Flächentarifs bereit. Was wenige Monate zuvor noch für undenkbar galt, ließ sich binnen Wochen realisieren: die Wiederinkraftsetzung der 38-Stunden-Woche für Ostdeutschland. Haben wir es also in Zukunft mit einer gezähmten IG Metall zu tun? Eines scheint sicher: Ohne die Niederlage wäre es nicht möglich gewesen, die Systemfrage der Tarifpolitik so schnell und so radikal zu stellen. Beispiel Arbeitszeitfrage: Gefordert wird, dass in Zukunft die Betriebsparteien die Normalarbeitszeit und damit die Bezugsgröße für das Monatsentgelt festlegen dürfen. Das bedeutet einen Eingriff in gewerkschaftliche Kernkompetenzen. Findet die Zäsur von Ostdeutschland ihre Fortsetzung im Westen? Es dürfte künftig kein Tarifkonflikt ohne Rückbezug auf die beispiellose Niederlage von 2003 zu führen und zu verstehen sein. Wenn es der Studie von Hans-Peter Müller und Manfred Wilke gelingt, in diesem Sinne zur Erhellung eines Wendepunktes in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte beizutragen, hat sie ihren Zweck erfüllt.