Zwölf Spaziergänge durch Venedig
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Viac o knihe
Der erste Spaziergang Castello „San Marco“ tönt es laut, einem Befehl gleich. Die Touristenmasse verlässt das Boot. Rufen, Drängen, und mittendrin die junge Mutter mit dem Kinderwagen, die dunklen Haare hochgesteckt, im langen braunen Kleid, braunen Sandalen. Lässig schiebt sie den Buggy über den Steg. Drei blonde Mädchen klappen ihren Reiseführer zu, kichern, drängeln. Sonnenhüte, Fotoapparate, krumme Männerbeine in Shorts, darüber weit ausgeschnittene T-Shirts, Taschen, Körbe, Zeitungen. Ich bleibe inmitten plötzlicher Leere. Es gibt nur noch wenige Kameras, Reiseführer und Schirmmützen. Das motoscato zieht an der Touristenparade vorbei, die sich die Ponte della Paqlia hinaufwälzt und nach kurzem Seufzer wieder hinab. Die Straße wird breiter. Treppen umspannen beschützend schmale Kanäle. Nur hin und wieder schwirren T-Shirts und Schirmmützen durch die Gassen. Das Boot zieht leise weiter, steuert die trutzigen Quadersteine an: Einer wehrhaften Schlossanlage gleich wacht hier das Arsenal, über das sich ein harter blauer Himmel dehnt. Das motoscafo legt wieder ab. Zieht hinauf zu den Bäumen und Büschen. Ein breites Stück Grün wächst hier aus dem Wasser. Die Büsten Verdis, Richard Wagners oder des Dichters Giosue Carducci blicken auf die Passanten, fragen in die Ferne. Das Boot legt nun eine lange Strecke zurück. Das Wasser glitzert und funkelt. Drüben blickt die Salute aus ihrem Silberschleier. Der dunkle Streifen der Friedhofsinsel nickt herüber. „Giardini Pubblici“. Ich steige aus. In der Bar „Paradiso“ bestelle ich einen Espresso und ein Mineralwasser. Rote, gelbe und weiße Tupfer hüpfen durch das Grün der Giardinibaume: Die ers-ten Besucher der Bienale rücken an. Boote ziehen weiterhin ruhig über den Canal Grande: das große Touristenboot, Taxiboote, Privatboote. Ich blicke zu San Giorgio, auf seinen blassen grünen Helm. Eingeschlossen auf einer kleinen Insel hält er streng und unnahbar Distanz zur Kirche Santa Maria della Salute, die in ihren weißen Bögen und Schnecken lächelt. Ich bin an diesem Donnerstagmorgen der einzige Gast hier im Paradies der Kirchen, des Wassers und der Paläste. nur das Tuckern der Motorboote ist zu hören. Und die Stille der Bäume. .