Die Bilanztrickser
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Viac o knihe
Wer sich heutzutage die Jahresabschlüsse der Unternehmen anschaut, stellt neben ungeklärten oder zweifelhaften Bewertungsfragen fest, dass von einem einheitlichen Schema überhaupt nicht mehr die Rede sein kann. So fallen bei Unternehmen, die nach dem Gesamtkostenverfahren bilanzieren, sonstige betriebliche Erträge oft in das Betriebsergebnis, wohin sie nicht gehören. Zudem ist die Regel, ein so genanntes Ergebnis vor Zinsen und Steuern anzugeben (Ebit, Earnings before Interest Expense and Taxes). Das Ebit sollte qua Definition alle Posten außer den Steuern und den Zinsen (Finanzergebnis) enthalten. Es ist also das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, ohne die darin enthaltenen Zinsen. Ob nun allerdings das außerordentliche Ergebnis im Ebit integriert ist oder nicht, hängt wiederum vom Unternehmen (und möglicherweise dem Vorzeichen der außerordentliche Erträge, plus oder minus) ab. Bei der beliebtesten Erfindung der Neuzeit präsentieren die Unternehmen der Öffentlichkeit regelmäßig ein so genanntes Ergebnis vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern (Ebitda oder Ebita, Earnings before Interest Expense, Taxes, Depreciation and Amortisation). Hiermit soll dem geneigten Investor eine Art Betriebsergebnis gezeigt werden, das alle Sonderfaktoren außen vor lässt. Nun, allein schon die Tatsache, dass dabei suggeriert wird, Zinszahlungen gehörten nicht zur unternehmerischen Tätigkeit, ist selbstverständlich absurd. Schließlich ist es ja nicht gerade so, dass die Passivseite der Bilanz regelmäßig zu 100 Prozent aus Eigenkapital und Rückstellungen besteht. Im Gegenteil besteht sie bei gewachsenen Unternehmen zu einem erheblichen Teil aus Krediten. Als Kenngröße ist am Ebitda im Vergleich zu der Zinslast zu erkennen, ob - vor etlichen Sonderfaktoren - das Unternehmen genug „verdient“, um wenigstens die Zinsverpflichtungen bedienen zu können. Viel mehr eigentlich nicht. Das Ebitda ist die vielleicht am besten geeignete Kennzahl, um sich schön zu rechnen und den Aktionär zu täuschen. Sie ist in Mode gekommen, als die Unternehmen sich aufgrund der Mega-Übernahmen finanziell verhoben (daher beim Ebitda die herausgerechnete Zinslast) und einen erheblichen, latent das Eigenkapital belastenden Goodwill aufgebaut hatten (folglich beim Ebitda die herausgerechneten Abschreibungen). Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass selbst ausgewiesene Bilanzfachleute bei allen großen deutschen börsennotierten Unternehmen und den jungen High-Tech-Firmen nicht in der Lage waren, die Ebitda-Angaben anhand der Bilanz nachzuvollziehen. Der Grund liegt höchstwahrscheinlich eben daran, dass das Ebitda eine Täuschgröße ist, ein Scheingewinn par ex-cellence, wie später an den Beispielen noch gezeigt werden wird. Noch doller treiben es Unternehmen, die nach amerikanischer Art dazu übergegangen sind, zusätzlich zu sonst schon fragwürdigen Ergebnis-Kennzahlen so genannte Pro-forma-Ergebnisse zu präsentieren. Auch diese Ergebnisse rechnen vermeintliche Einmalaufwendungen (und -erträge) heraus, um der Öffentlichkeit einen „wahren“, von angeblich einmaligen Einflüssen unbeeinflussten Gewinn zu zeigen. Ein einheitliches Schema für Pro-forma-Ergebnisse gibt es nicht. Zwei unterschiedliche Untersuchungen zu den Gewinnen der 100 wichtigsten US-Technologieunternehmen in 2001 förderten einmal einen Pro-forma-Gewinn von 32 Milliarden Dollar zutage. Nach allgemeinen Bilanzregeln berechnet, kam aber ein Verlust von 68 Milliarden Dollar zustande. Die zweite Studie ermittelte einen letztendlich publizierten Gewinn der 100 US-High-Techs von insgesamt 19,1 Milliarden Dollar. An die US-Börsenaufsicht meldeten die Unternehmen laut Studie letztendlich netto einen Verlust von 82,3 Milliarden Dollar. Die Gewinnpräsentation vieler Unternehmen ist heutzutage also eine Märchenstunde, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Dennoch ist es nicht unmöglich, die Zahlen zu filtern, um auf einen greifbaren Gewinn zu kommen, der ein operatives Ergebnis oder Betriebsergebnis widerspiegelt. Um sich dem zu nähern, kann sich der Bilanzleser auf die Bilanzierungsvorschriften und -grundsätze, die vorgestellt wurden, stützen.