Umkehren und wie ein Kind werden
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Viac o knihe
Die neuzeitliche Lebensweise hat nicht wirklich die Entwicklung des Menschen und seine Entfaltungsmöglichkeiten befördert. Vielmehr sind schwerwiegende Projektionen und Scheinweitungen des Lebensraums am Werk. Vordergründig ist die moderne Lebensweise hochdynamisch und ringsum voller Neuerungen, sei es aufseiten der Objektwelt oder des Menschen selbst. Neue Computersysteme, neue Tätigkeitsfelder, neue Liebespartner, neu gestrickte Individualitäten - es hat den Anschein, als sei nichts wirklich festgefahren. Doch die Handlungsoptionen und Gestaltungsmöglichkeiten, die den Menschen aufgefächerter denn je und in einer zeitlichen Verdichtung wie nie zuvor vor Augen treten, ‚gehören’ ihnen nicht wirklich. In seiner analytischen Aufschlüsselung dieses Phänomens bewegt sich der Band im Spannungsfeld zwischen Gesellschaftstheorie, Evolutionstheorie und Subjektontogenese. Als hilfreich auf dem Weg, die blockierte Kreativität des Menschen wieder freizusetzen und ihn zu einem ‚Neuwerden von innen heraus’ zu führen, erweist sich die Neotenie, die ‚Verkindlichung’ des Menschen im konstruktiven Sinne. Damit wird nicht die Überwindung der erlittenen Einengungen (die die vorherrschenden Projektionen nur noch bestärken würde), sondern der Rückgang des Menschen hinter die verselbstständigten gesellschaftlichen Dynamiken und eingefahrenen Lebensmuster - etwa Außenorientierung, Seinsollensprinzip, Machenwollen - und somit eine Hinwendung zum Inneren des Menschen anvisiert. Dabei wird Neotenie nicht zuvorderst als evolutionäre Charakteristik der Menschheit ganz allgemein oder als ein normales Element der Subjektontogenese betrachtet. Entscheidend ist vielmehr die sich eröffnende Möglichkeit einer bewussten Aktualisierung und Verstärkung des Neotenen, das sich gegen die inneren, im Gegebenen verharrenden Widerstände durchzusetzen vermag und dadurch das unterschwellig Mögliche zugänglich macht. So führen die Analyse und das Plädoyer für die Neotenie nicht die Rückwärtsgewandtheit und Infantilisierung des Menschen vor, sondern seine kreative, verantwortungsvolle Ausrichtung nach vorne hin.