Meine ganz normale Jugend
Autori
Viac o knihe
Anschaulich lässt der Autor in diesen Lebenserinnerungen seine Kindheit und Jugend lebendig werden. Glücklich verbindet er humorvolle und ernste Erzählungen mit einfühlsamen Kommentaren. Anstelle einer distanzierten Rückschau schildert er die damalige Zeit anhand von ganz persönlichen kleinen und größeren Erlebnissen und Anekdoten aus der Perspektive des Kindes, das sie erlebt hat. So entstehen vor dem geistigen Auge des Lesers Szenen wie „Der Opa mit dem Schüttelbaum“, „Der weiße Matrosenanzug“ oder „Der Junge mit dem Wasserkopf“ - die Welt einer „ganz normalen“ und doch einzigartigen Kindheit und Jugend im Dritten Reich in einer Kleinstadt in Niederschlesien. Mit tiefer Zuneigung spricht er von seinem Vater, einem Lehrer und erklärten Gegner der Nationalsozialisten, und von seiner Mutter, einer Gutsbesitzerstochter aus Pommern. Erinnerungen an Begegnungen mit Menschen und konkrete Situationen kennzeichnen auch die Schilderung der Anormalitäten der Kriegszeit, die das Kind bis 1944 kaum als solche wahrnimmt. Das ändert sich, als die Familie im bitterkalten Januar 1945 Hals über Kopf vor den Russen fliehen muss und der Zwölfjährige um ein Haar verloren geht. Der Vater gerät in Kriegsgefangenschaft, die Familie findet schließlich Zuflucht bei Stendal in Sachsen-Anhalt. Auch in seiner Schilderung der Nachkriegszeit unter sowjetischer Besatzung macht der Autor anhand kleinerer und größerer Erlebnisse deutlich, wie das alltägliche Leben unter diesen Bedingungen aussah, ohne jedoch die größeren Dimensionen zu vernachlässigen. So steht z. B. die Szene, in der sich sein Onkel Paul, Gründer der örtlichen CDU- Ortsgruppe, 1946 vor einem betrunkenen russischen Polit-Offizier im Keller verstecken muss, für den Autor für die allerorts stattfindende Unterdrückung der gerade aufkeimenden Demokratiebemühungen. Weitere Stationen dieser außergewöhnlichen Jugend sind u. a. eine Schreinerlehre beim VEB Raumkunst in Berlin und die erste Liebe. 1952 flieht die ganze Familie in den Westen. Der nachträgliche Einblick in die Akten der Gauck-Behörde, die beweisen, dass der Vater als „potentieller Klassenfeind“ von der Staatssicherheit bespitzelt worden war, lässt die gelungene Flucht aus Ostberlin als wahres Wunder erscheinen.