Die Akazien tropfen auf den Gehsteig Honig
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Viac o knihe
Ein Dichter wie Jaime Salas ist mit der Elle deutschen Lyrikverständnisses nur schwer zu messen. Noch immer wird unser Bild dessen, was ein Gedicht ist, im Land der dichtenden Denker und denkenden Dichter von der bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg lebendigen Tradition des romantischen Liedes geprägt. Interessanterweise haben auch die fremdartig leuchtenden Verse Salas' ihre Wurzeln im Lied, freilich in einem ursprünglicheren Sinn, als wir es von deutschen Dichtern zwischen Brentano und Benn gewohnt sind, die fast immer davon singen, wie sie der Welt abhanden gekommen sind. Jaime Salas reflektiert nicht ständig sein Verhältnis zur Welt, er stellt es dar. Und das lyrische Ich, das gelegentlich auch bei ihm zu Worte kommt, steht unprätentiös und gleichberechtigt neben dem übrigen Personal seiner Poeme, die wir mit Fug und Recht als eine mit Anschauung gesättigte Reise durch spanische und portugiesische Interieurs bezeichnen dürfen, wie es sie auf dem deutschen Buchmarkt in dieser Form noch nicht geben dürfte. Zugleich handelt es sich bei dem Iberien, das Salas kennt und beschreibt, zweifellos um eine Welt, die es im radikal sich modernisierenden Industrie- und EU-Land Spanien so nicht mehr lange geben wird. Dies könnte die Melancholie erklären, die über manchen Texten liegt, und die in so eklatantem Kontrast zu dem zupackenden Sprachgestus des Autors steht. Diese Kraft, dies mit allen Sinnen im Leben Stehende, Atmende, Wurzelnde, der stampfende, krachende Rhythmus, der dem lustvollen Zerknacken einer Langustenschale mehr als dem zierlichen Aufsetzen eines Versfußes abgelauscht ist, machen uns diese untergehende Welt noch einmal lebendig. - Der Verlag hat es unterlassen, die sperrigen Verse Salas' zu glätten, um ihnen nicht die Kraft zu nehmen, die ihrer Nähe zu Moritaten, Balladen und Liedern fahrender Sänger entspringen und der Vielfalt gesprochener Sprache zwischen Marktgeschrei und Salongeflüster.