Tagebuch und Fiktionalität
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Die Studie setzt bei der wenig befriedigenden Forschungssituation zu den Tagebüchern von Max Frisch an, bei der oftmals ein fast ungebrochenes Entsprechungsverhältnis zwischen der privaten Lebensgeschichte Max Frischs, seiner Autorschaft sowie seinem literarischem Schaffen unterstellt wird. Meike Heinrich-Korpys betont die literarische Eigenständigkeit der beiden Tagebücher und stellt sich damit in die Tradition neuerer Beiträge. Doch während letztere die literarische Autonomie der Texte vor allem werkgeschichtlich zu belegen suchen, beschreitet die Autorin hier neue und fruchtbare Wege: Sie argumentiert literaturtheoretisch. Ausgangspunkt der Arbeit von ist die Beobachtung, dass einzelne fiktionale Eintragungen in den Tagebüchern Max Frischs den Leser in seiner autobiographischen Lesart verunsichern. In Auseinandersetzung mit zentralen Ansätzen der Fiktionalitätsdiskussion entwickelt die Autorin einen Fiktionalitätsbegriff, den sie wiederum zur Bestimmung der Textsorte „literarisches Tagebuch“ einsetzt. Die Analyse der Tagebücher steht im Mittelpunkt der Studie und führt zu einem neuen Verständnis der besonderen ambivalenten und offen-artistischen Wirkstruktur der Tagebücher Frischs. Gerade die Einzelanalysen, in denen die Stellung der Tagebücher zwischen autobiographischen Bezügen und Fiktionalisierung strukturiert herausgearbeitet werden, führen dem Leser die Bestimmbarkeit von Fiktionalität an Textstrukturen überzeugend vor. Gleichzeitig ermöglichen sie ihm neuartige Einblicke in den komplexen Aufbau literarischer Tagebücher, die gerade auf dem Zitat der autobiographischen Grundform ihren fiktionalen Geltungsanspruch aufbauen.