Strafrecht und Strafrechtspflege in den deutschen Kolonien von 1884 bis 1914
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Viac o knihe
Mit der Erklärung der Schutzherrschaft über Südwestafrika am 07. August 1884 stieg das Kaiserreich in die Reihe der europäischen Kolonialmächte auf. Neben Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika, umfasste das deutsche Kolonialreich das „Pachtgebiet“ Kiautschou in China und ein Inselgebiet im Südpazifik. Im Anschluss an die unmittelbare Besitzergreifung und Befriedung war es notwendig, die Rechtspflege in den Kolonien auszugestalten. Dabei kam dem Strafrecht eine besondere Rolle zu. Dieses war ein wesentliches Machtinstrument bei der Sicherung und Durchsetzung des deutschen Herrschaftsanspruchs. Ganz dem rassistischen Herrendenken der damaligen Zeit verpflichtet, erschien eine getretene Rechtspflege für Kolonisatoren und Kolonialisierte geboten und zweckmäßig. Während für die europäische Bevölkerung im wesentlichen das Reichsrecht angewendet wurde, so erachtete man dies für die „Eingeborenen“ in den Kolonien als nicht geeignet. Anstelle der Geltung eines kodifizierten Regelwerkes trat eine Rechtspflege nach „Gutsherrenart“. So stand es im Ermessen der verantwortlichen Beamten, dasjenige zu bestrafen, was nach ihrem Dafürhalten strafenswert erschien. Dazu traten die kolonialspezifischen Strafformen der Prügelstrafen und der Kettenhaft. Ein einheitliches deutsches „Kolonialstrafgesetzbuch“ existierte zu keinem Zeitpunkt. Es verfügte daher jede Kolonie über ihr eigenes Kolonialstrafrecht. Durch das Mutterland selbst, erfolgte dabei nur die Festlegung des gesetzlichen Rahmens, im übrigen sollte den Kolonialbeamten vor Ort möglichst großer Entscheidungsbefugnisse belassen werden. So unterschied sich dann nicht nur das materielle Strafrecht, sondern auch das Prozessrecht und die Gerichtsorganisation zwischen den einzelnen Kolonien zum Teil erheblich. Dies betraf auch die strafbare Handlung und den Strafrahmen. Die Darstellung der strafrechtlichen Besonderheiten der einzelnen Kolonien ist der Kern dieser Abhandlung.