Der lange Weg des Friedrich Ohlhorst
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Viac o knihe
Menschen, die zumindest das Ende des Nazi-Regimes noch bewusst miterlebt haben – und dies nicht nur als kleines Kind –, sind spätestens um 1930/35 geboren worden. Heute, im Jahr 2019, sind die Betreffenden bereits weit über 80 Jahre alt. Dies bedeutet: Wir verlieren allmählich die Generation der Zeitzeugen des NS-Terrors, jene Männer und Frauen, die aus eigenem Erleben anschaulich berichten können und vielleicht gerade dadurch die Jüngeren zur Beschäftigung mit dieser Phase unserer Geschichte motivieren. Bei der Erforschung der jüngeren Vergangenheit sind Zeitzeugenaussagen, mögen sie auch höchst subjektiv und von unsicheren Erinnerungen geprägt sein, eine wichtige Ergänzung sonstiger Quellen. Sie ermöglichen ganz andere Blickwinkel als etwa die überwiegend amtliche Überlieferung in den staatlichen und kommunalen Archiven oder als in zeitgenössischen Publikationen – Bücher, Zeitungsartikel oder Radio- und Filmberichte – Veröffentlichtes. Im Fall der Erforschung der NS-Zeit werden neue Interviews leider bald unmöglich sein. Die Zeitläufte lassen nichts anderes zu. Daher gilt es, über die schon dokumentierten Interviews hinaus weitere Quellen zu bewahren, die „den anderen Blickwinkel“ dokumentieren. Hierzu zählen private Schmalfilmaufnahmen, Schriftstücke, die Korrespondenz und insbesondere die Feldpostbriefe. Je weniger Menschen wir befragen können, desto wichtiger werden derartige Dokumente, die anrühren, weil sie uns persönliche Schicksale anschaulich nahebringen. So war es ein großer Glücksfall, dass das Redaktionsteam dieses Bandes – in Person Dr. Jan Olaf Rüttgardts – von einem sehr umfangreichen Bestand solcher Briefe erfuhr. Noch dazu war die Eigentümerin, Frau Inge Henstorf, geborene Schrader, in Mellendorf lebend, gern bereit, uns das Konvolut zu einer ersten Analyse zur Verfügung zu stellen. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Frau Henstorf sei daher bereits an dieser Stelle ausdrücklich und besonders herzlich gedankt. Es sind etwa 450 Briefe ihres Onkels Friedrich Ohlhorst aus Bissendorf, die erhalten geblieben sind und die Inge Henstorf sorgsam aufbewahrt hat. Sie alle zu publizieren oder gar wissenschaftlich auszuwerten, würde die Möglichkeiten ehrenamtlicher Arbeit, deren Ergebnisse halbwegs zeitnah vorgestellt werden sollen, übersteigen. Wahrscheinlich wäre dies auch nicht zielführend. Einerseits sollten im Rahmen einer wissenschaftlichen Analyse eher Aussagen aus den Schreiben vieler Absender zu konkreten Aspekten zusammengestellt und interpretiert und nicht nur die Überlieferung einer Person ins Zentrum gerückt werden. Und andererseits war es nicht unser Ziel, eine biographische Skizze vorzulegen. Vielmehr möchten wir, mit Blick auf die Wedemark, Feldpostbriefe als wichtige Quellengattung bekanntmachen – auch, um zu verhindern, dass die Schreiben etwa bei einem Generationswechsel leichtfertig ins Altpapier gelangen.