Figuren des Unmittelbaren
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Viac o knihe
Die Literatur im digitalen Raum wurde in den 1990er Jahren zum Angelpunkt zahlreiche medien- und literaturwissenschaftlicher Debatten. Die Schlagworte, um die diese Debatten rotierten, wurden auf wissenschaftlichen Symposien und Kunstfestivals häufig strapaziert und sind bis heute präsent. Das multimediale Gesamtkunstwerk schien mithilfe der schier unerschöpflichen Möglichkeiten Neuer Medien in greifbare Nähe gerückt zu sein. Die Überwindung der Linearität der Buchkultur wurde euphorisch gefeiert. Die Pioniere der Hyperkultur blenden verschiedene Diskursflächen übereinander, kontaminieren akademisches Vokabular mit der Rhetorik des Manifests. Diese Rhetorik des Aufbruchs kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die digitale Literatur in Traditionen verankert ist und insbesondere auf Positionen der Avantgarden zurückgreift. Der vorliegende Band geht der Frage nach, inwiefern Projekte der Avantgarden im digitalen Raum fortgeschrieben werden. Diese Fortschreibung findet auf zwei Ebenen statt: Zum einen adaptiert die digitale Literatur Verfahren der Avantgarden. Darüber hinaus pflanzen sich im digitalen Raum aber auch ästhetische Fragestellungen fort, die diesen Verfahren zugrunde liegen. Die Avantgarden sind mit ihrer Erneuerung des künstlerischen Ausdrucks der Suche nach unmittelbaren Dimensionen des Wahrnehmens, Denkens und Erlebens verpflichtet. Ziel der avantgardistischen Kunstrevolution ist die Befreiung der Phänomene aus den von der Repräsentation vorgegebenen Rastern. Unter veränderten Vorzeichen tauchen diese Denkfiguren des Unmittelbaren in der Literatur im digitalen Raum auf. Am Beispiel der Linearitätsdebatte, der Ästhetik des Zufalls und der Poetik des Raums sollen Verflechtungen der Avantgarden und der digitalen Ästhetik sichtbar gemacht werden.