Sprachrettung oder Sprachverrat
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Viac o knihe
Das Ungarische als „eine der einsamsten Sprachen“ hat eine besondere Bedeutung als identitätsstiftendes Moment der Nation. Ihr Ursprung aus der Familie der finnougrischen Sprachen spielt hier eine wichtige Rolle, viele heute noch um das Ungarische und insbesondere um das Standard-Ungarische gesponnenen Mythen datieren jedoch aus dem 19. Jahrhundert, als die Sprache eine herausragende Bedeutung in den Bemühungen um die Eigenständigkeit der ungarischen Nation erhielt. Die Prinzipien der Standardisierung spiegeln auch im folgenden die geistigen Strömungen der Zeit wider, seit der politischen Wende der 80er Jahre stehen sich jedoch zwei gegensätzliche Lager gegenüber. Für die traditionelle Sprachpflege bedeutet das Bestreben um die einheitliche Norm des Ungarischen auch die Sorge um den Erhalt der ungarischen Nation. Die Momente der Bedrohung des „Ungarntums“ sind zahlreich in der Geschichte, so wird auch die sprachliche Situation der großen ungarischen Diaspora in den Nachbarstaaten Ungarns heute als gefährdet wahrgenommen. Der Einfluss der jeweiligen Staatssprache auf die Sprache der ungarischen Minderheit wird als drohender Verlust des „einen“, reinen Ungarisch empfunden, die „Rettung“ der Sprache durch sprachpflegerische Maßnahmen gilt als unerlässlich. Die moderne ungarische Soziolinguistik hingegen registriert und akzeptiert die verschiedenen Einflüsse auf die Sprachnorm in ihrer Vielfalt. Soziolinguistische Erhebungen zeigen die Auswirkungen des lange Zeit vorherrschenden normativen Sprachverständnisses auf die Einstellungen zur Sprache, wozu die Stigmatisierung sprachlicher Formen und die „Übererfüllung“ sprachlicher Normen, die Hyperkorrektur gehören. Die Akzeptanz einer Pluralisierung der Sprachnorm insbesondere bezüglich der Ungarn in der Diaspora wird von der Gegenseite als „Verrat“ gegeißelt. Die Geschichte der Standardisierung der ungarischen Sprache und die Darstellung der aktuellen Situation der sprachlichen Norm mit ihren sozialen und regionalen Einflüssen zeigt sehr deutlich, wie wesentlich Normdiskussionen und Normierungsprozesse für die Entwicklung einer Sprache und auch einer Gesellschaft sein können, die wesentliche Momente ihrer kollektiven Identität aus eben dieser Sprache gewinnt.